Die Qualen der Sophora
gut,
sie wach und zumindest körperlich gesund zu sehen. Sie würde nicht sterben.
Nicht heute. Gerade noch so hatten sie Kings düstere Vision abgewandt.
„Wie geht es dir? Brauchst du irgendetwas? Etwas zu
essen vielleicht? Ein Glas Wasser?“
Damon scheute sich, so kurz nach ihrem Erwachen die unvermeidlichen Tatsachen
und die eigentlichen Gründe seiner Anwesenheit anzusprechen. Sie sollte sich
erst gänzlich ausgeruht und erholt haben, bevor sie ernsthaft über seine Schuld
sprachen. Auf dem Nachtschrank neben ihrem Bett stand eine Kristallkaraffe mit
Wasser und daneben ein Glas. Seine Hände zitterten beim Einschenken und das
rührte sicher nicht daher, dass er zu lange bewegungslos auf dem Stuhl gehockt
hatte, sondern weil er sich fürchtete, schon wieder etwas falsch zu machen und
Nico damit zu schaden.
Nico schloss erleichtert die Augen, als sie hörte, dass
man sich um ihren Vater gekümmert hatte, um dann gleich eine heiße Welle der
Schuldgefühle Catalina gegenüber zu verspüren. Es war Vollmond, die Affectio
hatte sie in vollem Griff und sie hätte sich eigentlich nicht dermaßen
anstrengen sollen. Einen Ghoul in den lebenden Tod zurück zu holen, war
gefährlich und Cat war ein Neuling als Immaculate. Ihre erste Umwandlung… Nico
blinzelte angestrengt.
„Nein, Danke… Ich brauche nichts!“, antwortete sie
dumpf.
Aus den Augenwinkeln beobachtete sie, wie er mit zitternden Händen mit der
Karaffe hantierte. Er sollte selbst noch im Bett liegen und nicht hier in dem
Zimmer bei ihr sitzen. Sie hatte wohl ein paar blaue Flecken davongetragen, die
wieder keiner sehen konnte. Das war nicht schlimmer als nach dem Training,
warum machten sie nun ein so großes Aufhebens darum?
Mit wilder Entschlossenheit stemmte sie sich in die Höhe, die Schmerzen in den
Gelenken ignorierend, so wie sie es im Training beigebracht bekommen hatte, und
lehnte sich gegen Kissen und Kopfteil des Bettes, wobei sie flach und leise
atmete, um sich die Anstrengung nicht merken zu lassen.
„Es tut mir leid… Du hast den Hieb der Sichel nicht
verdient. Ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen… Du sollst nur wissen,
dass… Die Verantwortung für…“
Nico stockte und senkte den Blick auf die tanzende Wasseroberfläche im Glas,
das sie Damon einfach abgenommen hatte, obwohl sie es nicht zum Mund führen
wollte. Sie runzelte ihre Stirn und dann dämmerte es ihr, warum die Krieger
gewusst hatten, wo sie gerade war. King musste sie gesehen haben… Ihre
Mundwinkel zitterten leicht, doch sie schluckte das brennende Schamgefühl
herunter. Trotz allem war sie nicht jeglicher Schuld frei gesprochen.
„Mein Verhalten während der Noctis Transitus… Ich
möchte mich nicht herausreden, das wäre auch nicht richtig, aber Edward
Sterling hat mich manipuliert. Er… Er hat es mir eingestanden. Sein Duft
bewirkt wohl, dass… unterdrückte Wünsche an die Oberfläche kommen. Ich habe es
vorhin erneut durchlebt. Es reißt alle Barrieren nieder und man vergisst
jegliche Zurückhaltung… Ich war nicht stark genug dieser… Droge zu widerstehen.
Ich weiß, es macht gar nichts wieder gut, aber…“
Nico zuckte hilflos mit den Schultern. Was sollte sie
noch sagen?
„Ich hätte niemals mit ihm reden sollen, er war mir unheimlich, aber ich war
wie paralysiert... Du hattest jedes Recht, auf mich wütend zu sein.“
Ihre Arme überzogen sich mit einer Gänsehaut und all
die eben wiedererlangte Wärme wich aus ihrem Körper. Es lag nicht daran, dass
sie sich gedemütigt fühlte. Vielmehr hatte sie mit dem drohenden Verlust von
etwas zu kämpfen, das ihr niemals rechtmäßig gehören würde. Sie hatte seine
Hilfsangebote völlig missverstanden. Sie würde es gern auf ihre Unerfahrenheit
schieben, darauf dass sie einsam war, aber dann müsste doch diese Verblendung
hier und jetzt aufhören. Sie tat es nicht.
Die Gefühle für ihn waren felsenfest in ihrem Herzen
verankert. Es würde lange Zeit brauchen, sie zu überwinden. Und nun konnte sie
nicht einmal fort gehen, um es sich leichter zu machen. Ihr Vater gehörte nun
ebenfalls in diese Welt, wenn alles gut ging… Aber er war ihr nicht erschienen,
das ließ sie eine leise Hoffnung hegen, die sofort erstarb, als ihr klar wurde,
dass sie auch ihm Rechenschaft ablegen musste.
Er würde sehr enttäuscht sein, dass sie trotz ihrer fundierten spirituellen
Ausbildung, die Zusammenhänge nicht erkannt hatte. Sie hatte doch gespürt, dass
Edward Sterling kein ehrenwerter Mann war. Seine
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