Die Qualen der Sophora
müssen. Es
war ihr Glück, dass er dazu bereit gewesen war, sonst hätte sie wahrscheinlich
nicht überlebt.
„Danke, dass du mich zurückgeholt hast…
Ich stehe tief in deiner Schuld!“, grollte er leise, um ihrem Anblick dann
auszuweichen, der seine Sinne immer noch bestürmte, egal wie sehr er sich
dagegen sträuben mochte.
Seine Zurückhaltung ehrte ihn. Immerhin
hatte er es einhundert Jahre lang ausgehalten, kein Wort zu sagen und war auch
nur mit der Wahrheit herausgerückt, weil Wendy ihn durch ihr Handeln förmlich
dazu gezwungen hatte. Er war kein Verräter und hatte wiederholt nicht aus
Eigennutz gehandelt. Ash hatte sich kaum mit Absicht in die Explosion geworfen.
Und wenn doch, dann nur, um seinen Waffenbruder zu retten, nicht um an ihr Blut
zu kommen. Er hätte niemals etwas gesagt. Nicht einmal dann, wenn er von ihren
Visionen erfahren hätte, die den Tiger betrafen. Ash war durch und durch
vertrauenswürdig.
„Schuld?“ Wieder lag Erstaunen auf ihrem
Gesicht, als sie erneut aufsah und bemerken musste, dass er seine
Aufmerksamkeit doch lieber dem Schrank widmete, auf dem er sich abstützte und
versuchte, sein Gleichgewicht zu halten. Das konnte er kaum ernst gemeint
haben. Wenn überhaupt, dann hatte sie ihre Schuld gerade beglichen. Sie waren
einander jetzt gleichgestellt. Von Schuld konnte keine Rede sein. So etwas
wollte sie nicht hören, weil es die Dinge zwischen ihnen nur wieder
komplizierte. Hundert Jahre Schweigen musste doch auch für ihn genug sein, oder
nicht?
Awendela befühlte noch einmal die Wunde
an ihrem Hals. Sie war bereits vollständig verheilt. Das ging schnell. Ihr Blut
wirkte nicht nur bei anderen wahre Wunder. Trotzdem erhob sie sich langsam, um
ihren Organismus nicht gleich zu überfordern. Ash sah nicht so aus, als könnte
er sie auffangen, sollte sie noch einmal ohnmächtig werden. Allein die
Blutflecken auf ihrem vormals makellos weißen T-Shirt zeugten noch davon, was
eben passiert war. Sobald sie geduscht und sich umgezogen hatte, würden
zumindest die äußeren Anzeichen vergessen sein. In ihrem Inneren dagegen sah es
ganz anders aus.
„Sag so was nicht!“ Ganz bewusst legte
sie den Kopf schief, um ihn dazu zu zwingen, ihren Blick zu erwidern. Dabei kam
sie ihm ein Stück weit näher, als ihm vielleicht in diesem Augenblick lieb war,
doch das machte ihr nichts. Mit den Konsequenzen würde sie leben können. Wie
immer. Aber falsche Bescheidenheit oder Zurückhaltung zwischen potentiellen
Soulmates war nicht besonders klug. Das hatte sie bereits bei Romy und Chryses
beobachten können.
„Du hast eben gesagt, ich hätte an deiner
Stelle nicht anders gehandelt. Das merkst du doch gerade, oder nicht? Lass uns
nicht von Schuld sprechen, wenn wir jederzeit wiederholen würden, was wir getan
haben. Es ist das, wofür wir geboren wurden, Ash.“ Wendy sprach leise, jedoch
sehr eindringlich. Nico kümmerte sich zwar um Damon, konnte aber nicht
verhindern, dass der inzwischen wach gewordene Warrior neugierige Blicke zu
ihnen herüber warf, nachdem sie sich um das Aufräumen des Rollwagens kümmerte,
auf dem die benutzten Instrumente lagen. Wendy wünschte sich, sie wären allein
in diesem ganz persönlichen Moment der Eingeständnisse. Dabei war es eigentlich
egal. Die anderen wussten ohnehin Bescheid und Nico würde es garantiert bald im
Detail erfahren.
° ° °
Damon kam langsam wieder zu Bewusstsein.
Die Stellen seines Körpers, in denen die Kugeln gesteckt hatten, brannten bei
der Heilung, als hätte jemand glühende Eisen hineingesteckt. Aber da war noch
etwas anderes, das seine Sinne benebelte. Der Geschmack von Blut und Zimt auf
seiner Zunge und seinen Lippen. Als hätte er wieder von Nico getrunken, dabei
war das gänzlich unmöglich. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war den
Wagen in die Tiefgarage gefahren und um Hilfe geschrien zu haben, bevor er
ohnmächtig wurde. Nico und Wendy hatten Ash und ihn offenbar rechtzeitig
gefunden und verarztet. War Ash überm Berg? Hatte er es geschafft?
Damon bewegte sich auf der Liege, um sich
versuchsweise auf die Seite zu drehen, scheiterte aber an der
Bewegungsunfähigkeit seines Körpers, die die Nachwehen der Verletzungen mit
sich brachten. Er sah nur aus den Augenwinkeln, dass die benachbarte Liege leer
war und kniff gequält die Augen zusammen.
„Ash?!“
Wenn sein Bruder es nicht geschafft
hatte, dann war das seine Schuld. Damon hob die Arme empor, um sich mit beiden
Händen über das Gesicht
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