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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Nachdem ich Jerusalem mit einem Joch im Nacken gesehen hatte, wurde mir klar, daß sich mein anderer Traum wohl ähnlich verwirklicht hätte, mein Wunsch, über das Meer zu fahren: Ich wäre Rudersklave in Ketten auf einem phönizischen Schiff geworden. Ein Mensch kann jederzeit nach Jerusalem gehen. Es hängt nur von dem Joch ab, das er gewillt ist zu tragen.«
    »Ich werde die Stadt sehen. so wie ich es will«, sagte sie.
    Am dritten Abend wurde Meschab wieder eingeladen, sein Mahl im Vorderhaus einzunehmen, und so geschah es auch an den folgenden Abenden. Er besprach mit Kerith viele Dinge, und immer mehr mußte er erkennen, daß sie eine außergewöhnlich kluge Frau war. Aus einigen ihrer zufälligen Bemerkungen über Amram - über seinen Stolz und seine Eitelkeit auf die Siege über Stämme, die nur schlecht bewaffnet gewesen waren - schloß er, daß Kerith jetzt zu ehrlicher Einsicht gekommen war. Aber er spürte auch, daß noch immer jeder Fremde, der nach Makor kam, diese Frau mit Sicherheit für sich gewinnen konnte, wenn er nur ebenso schwärmerisch war wie sie selbst, denn sie hatte jede Lust an dieser kleinen Stadt verloren und war wohl auch, wie Meschab ahnte, ihres gutmütigen Mannes überdrüssig geworden.
    »Wenn es Bathseba gelingt, Salomo die Thronfolge zu sichern«, sagte Meschab zu Kerith am vierten Abend, »dann wird der neue König, so meinen jedenfalls die Leute, Jerusalem großartig ausbauen. Schöner als Tyros und Ninive will er die Stadt haben. Ganz sicher wird man dann einen so tüchtigen Baumeister wie Jabaal in die Hauptstadt holen.«
    »Glaubst du?« fragte sie, lenkte dann aber die Unterhaltung auf Moab. Ob das Leben dort ähnlich sei wie in Makor. Er erzählte ihr von seiner Heimat in den Tälern östlich des Toten Meeres.
    »Wir haben immer mit den Hebräern gekämpft«, erklärte er, »und ich bin überzeugt, daß wir es auch in Zukunft tun werden.« Aber dann erzählte er ihr die Geschichte von seiner Landsmännin Ruth, die Moab verlassen hatte, um die Frau eines Hebräers zu werden. »So wurde sie die Urgroßmutter eures Königs David.«
    »Das wußte ich nicht«, gestand Kerith und lehnte den Kopf zurück, um die unglaubwürdige Geschichte zu überdenken.
    »David ist also in Wirklichkeit ein Moabiter«, sagte Meschab, »und trotzdem ist er unser grausamster Feind.«
    »David? Grausam?« Ein Sklave hatte verächtlich von ihrem König gesprochen - Kerith fühlte sich gekränkt.
    »Habt Ihr nicht gehört, was geschah, als er die Moabiter zum erstenmal besiegte? Alle Gefangenen mußten auf dem Schlachtfeld niederknien und wurden zu dreien abgezählt -eins, zwei, drei.«
    »Und dann?«
    »Dann ließ David seine Krieger auf uns los, und von je drei Gefangenen wurden der erste und der zweite erschlagen.«
    In das Schweigen fragte Kerith erschrocken und gepackt zugleich: »Und du warst einer von den dritten?«
    »Nein, ich hatte Zwei. Aber als die Krieger mich erschlagen wollten, gebot ihnen David Halt und fragte: >Ist das nicht Meschab, der Anführer der Moabiter?< Ich bejahte, und da befahl er: >Laßt ihn am Leben. Er ist tapfer, er soll Feldherr bei mir werden. < So fragte er mich: >Willst du Jahwe annehmen und frei sein?< Ich antwortete: >Ich lebe und sterbe mit Baal.< Sein Gesicht wurde dunkel vor Zorn, und ich dachte, jetzt wird er mich töten lassen. Aber er knirschte nur mit den Zähnen und schrie: >Nun gut. Er ist ein tapferer Mann. Laßt ihn frei.< Kaum war ich frei, sammelte ich mein besiegtes Volk, und wir überfielen die Zelte der hebräischen Heerführer. Damals habe ich Amrams Bruder getötet.«
    »Am ersten Tag sagte Amram, er habe dich mit seinen eigenen Händen umbringen wollen. Warum hat er es nicht getan?«
    »Weil David mich abermals begnadigte. So kam ich in die Sklaverei.« Kerith seufzte. Aber schon sprach sie von etwas anderem. »Neulich sagte der Statthalter, David komme vielleicht nach Norden, um sich euren unterirdischen Gang anzusehen. Sag mir, glaubst du, daß er Jabaal mit sich nach dem Süden nimmt?«
    »Es ist möglich.« Der Moabiter hätte der ungeduldigen Frau gern etwas Tröstliches gesagt, aber alles, was ihm einfiel, war: »Jerusalem mit einem Joch im Nacken - das sollte man sich nicht wünschen.«
    »Ich werde ein solches Joch nicht tragen«, sagte sie bestimmt. »Du trägst schon eines. Und es ist viel schwerer, als meines gewesen ist.« Auch am fünften und sechsten Abend saßen sie bis Mitternacht beieinander. Der Moabiter wollte noch einmal

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