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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Sklavenlager, wo er den widerlichen Fraß mit seinen Männern teilte und versuchte, sie durch sein Beispiel zu ermutigen. An dem Morgen aber, als Wiedehopf nach Akcho abreiste, hatte der zu ihm gesagt: »Meschab, ich will, daß du das Abendessen mit Kerith nimmst.« Der Sklave hatte es nicht gewollt - wie leicht konnte sich Wiedehopf damit lächerlich machen - und am ersten Abend im Sklavenlager gegessen. Am zweiten Abend klopfte eine Sklavin an seine Tür und sagte: »Die Herrin hat mehr Speise, als sie essen kann. Sie fragt, ob du etwas willst.« Er zog sein moabitisches Gewand an und ging in den Hauptteil des Hauses, wo Kerith ihn freundlich begrüßte und mit ihm das Abendessen einnahm.
    In Moab war er ein Mann von einiger Bedeutung gewesen; er hatte Äcker und Weinkeltern besessen. »Nur noch ein paar Monate, dann werde ich wieder bei meinem eigenen Volk sein«, sagte er zu Kerith. »Wie lange müßt ihr noch graben?« fragte sie.
    »Die kleinen Stollen. vielleicht noch in diesem Monat werden wir die Verbindung herstellen. Dann sehen wir, wie sie passen und vergrößern sie zum richtigen Gang« - er zeigte ihr, wie es möglich war, die Erweiterung in allen Richtungen nach oben und unten und nach den Seiten vorzunehmen -, »wenn wir nicht zu weit voneinander entfernt sind in einer Richtung. Aber das glaube ich nicht.«
    »Es ist sehr klug ausgedacht«, sagte Kerith.
    »Euer Gatte ist der Kluge. Ich könnte jetzt überall einen Stollen graben wie diesen hier, aber nie könnte ich all die kleinen Schwierigkeiten voraussehen.« Er lachte. »Ich erzähle Euch Dinge, die Ihr gar nicht zu wissen braucht.«
    »Wenn du nach Moab zurückkehrst, wird deine Familie.«
    »Mein Weib und meine Kinder sind umgebracht worden. bei einem Einfall der Hebräer. Deshalb habe ich so verzweifelt gekämpft. Eigentlich wundere ich mich, warum man mich am Leben gelassen hat. Erinnert Ihr Euch, als der Feldherr Amram mich sah.« Er bemerkte, daß sie scheu errötete, als er den Namen nannte, und er dachte, wie er sie verachtet hatte, weil er annahm, sie habe sich mit dem Gast eingelassen. Aber er schwieg. Er war jetzt achtundvierzig Jahre alt und hatte viel erlebt; er wußte, daß es unter den heißblütigen Hebräern kaum eine Familie gab, in der es nicht im Lauf der Jahre zu einem heftigen Gefühlsausbruch kam - die Geschichten, die sich die Männer abends erzählten, von ihren Vorfahren, von der Jugend König Sauls oder König Davids, waren kennzeichnend für die Hebräer. Sie waren ein temperamentvolles Volk, wie Quecksilber in der Hand, das man nie fangen kann, und wenn Wiedehopfs hübsche Frau ein Verhältnis mit dem Feldherrn Amram gehabt hatte, so war das ihre Sache. Es hatte keinen Streit gegeben, Wiedehopf und Kerith lebten in Ruhe und Frieden miteinander, und er mochte sie beide gern.
    »Glaubst du, wenn der Stollen fertig ist.«, Kerith unterbrach sich. »Gut, du bist dann frei und kannst nach Moab zurück. Aber Wiedehopf. Glaubst du, man wird ihn nach Jerusalem rufen?«
    Das war es also! Jetzt verstand Meschab, was geschehen war. Kerith hatte Sehnsucht nach der Hauptstadt des Landes gehabt. Warum? Weil in Jerusalem die Entscheidungen fielen? Weil dort die wichtigen Leute zusammenkamen? Sie hatte sich also bei dem Feldherrn Amram eingeschmeichelt in der Hoffnung, daß er etwas für ihren Wunsch tat, aber dann war er im Krieg gefallen. So war es bei dem Versuch geblieben. Der hochgewachsene Moabiter lächelte. Es war gewiß nicht sonderlich ernst zu nehmen, wenn eine Frau da sein wollte, wo sie nicht sein konnte. Durfte man wirklich den Stab über sie brechen, weil sie versucht hatte, für ihren Ehrgeiz und den ihres Mannes sich des einzigen Mittels zu bedienen, über das sie verfügte? »Warum lächelst du?« fragte sie. »Ihr erinnert mich so sehr an mich selbst.«
    »Ich?«
    »Als Kind schon wollte ich andere Länder sehen. Die Wüsten von Moab waren recht öde, und ich träumte von Ägypten oder vom Meer oder von Jerusalem, der Hauptstadt der Jebusiter. Endlich kam ich nach Jerusalem.«
    »Wirklich?« fragte Kerith begierig und beugte sich über den niedrigen Tisch. »Ja. An einem regnerischen Tag trieb man mich den steilen Hang hinauf, und ich trug ein Joch im Nacken. Wenn der König gemerkt hätte, wer ich war, so hätte man mich umgebracht. Ich habe Jerusalem gesehen, Kerith. Aber gebt acht, daß Ihr es nicht um denselben Preis seht.«
    »Willst du sagen, daß ich mich nicht sehnen sollte?«
    »Ich will folgendes sagen:

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