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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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versuchen, Wiedehopfs Frau von ihrem Verlangen nach Jerusalem abzubringen, weil er meinte, es gefährde sie und ihren Mann. Deshalb sagte er am letzten Abend: »Kerith, vielleicht seht Ihr nicht, daß Jabaal ein großer Mann ist, ganz gleich, ob er hier bleibt oder nach Jerusalem geht.«
    »Kein Mensch hält ihn für einen großen Mann«, antwortete sie. »Aber ich. Als wir befürchten mußten, daß unsere Stollen nicht aufeinandertrafen, hat er allein die Schuld auf sich genommen. Obwohl er der Meister war und ich der Sklave.«
    »Er ist ehrlich«, gab sie zu. »Aber sein Name Wiedehopf sagt alles.« Sie lachte vergnügt und keineswegs spöttisch. »Er ist ein guter Mann, und alle haben ihn gern, auch ich. Aber in den letzten drei Jahren habe ich erkannt, daß er nicht zu denen gehört, die von den Königen nach Jerusalem berufen werden. Und deshalb bin ich besorgt.«
    »Erinnert Euch daran, was Euer Gott Jahwe nicht weit von hier gesagt hat: >Siehe nicht an seine Gestalt noch seinen hohen Wuchs. Denn es geht nicht, wie ein Mensch sieht: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, Jahwe aber sieht das Herz an<.«
    Kerith steckte den Tadel ein und erwiderte nichts, denn die Erwähnung Jahwes veranlaßte sie zu der Frage: »Meschab, warum nimmst du nicht Jahwe an und wirst ein Freier?«
    »Ich werde mich nie vom Baal der Moabiter abwenden«, sagte der Sklave. Bei diesen Worten dachte Kerith an das Elend des Sklavenlagers. Mit leiser Stimme fragte sie: »Dein Glaube läßt dich das Leben im Lager ertragen?« Ein Schaudern überlief sie, als sie daran dachte, was sie dort gesehen hatte. »Wie lange schon?«
    »Sieben Jahre.«
    Sie neigte ihren Kopf vor dem Mann, der Demütigung und Elend auf sich genommen hatte, um seinen Gott nicht verleugnen zu müssen. Aber am folgenden Abend waren ihre Gedanken wieder mit Jabaal beschäftigt, denn der war nun endlich heimgekehrt - nach einem sechstägigen Rausch. Den Weg von Akcho nach Makor hatte er zu Fuß zurückgelegt. Ungekämmt und staubbedeckt war er gekommen, aber er hatte leise vor sich hingelacht. Zu Fuß war er gegangen, weil er von den Phöniziern, die ihm gute Freunde geworden waren, nicht nur die Werkzeuge erhalten hatte, die er bezahlen konnte, sondern auch noch eine hübsche Zugabe, und so war für den Esel genug Last zu tragen gewesen. Bei der Grenzwache hatte er vergessen, seinen Dolch zurückzuverlangen, denn er mußte doch mit den Kriegern noch einen letzten Krug Bier leeren und Lieder aus Sidon singen. Aber dafür besaß er nun auch ein schönes Schwert aus Zypern, das ihm der Statthalter von Akcho verehrt hatte, und zwei eiserne Speerspitzen. Vergnügt war Wiedehopf neben seinem Esel durch das Tor geschwankt, hatte die Last beim Statthalter abgeladen, sich vor dem Beamten verbeugt und war dann nach Hause zu seiner Frau gestolpert. Aber sobald er sich gewaschen hatte und sein Kopf etwas klarer war, ließ er Meschab rufen. Die beiden stiegen in den Schacht, wo Wiedehopf nach vorn kroch: Ganz deutlich konnte er die Nachtschicht im anderen Stollen arbeiten hören. Er sah sich freudestrahlend nach Meschab um. »Du hast die Richtung genau eingehalten!« sagte er anerkennend. Als sie aber zum Brunnenschacht hinabstiegen und in den anderen Stollen gingen, entdeckte er sofort, daß Meschab hier während seiner Abwesenheit eine erhebliche Berichtigung vorgenommen hatte. Er schob sich bis zum Stollenende vor, horchte auf den Hammerschlag von der Gegenseite her und begriff, daß Meschab ihn vor einem großen Fehler bewahrt hatte. Er umarmte den Moabiter und sagte: »Wenn wir den Stollen verbreitern, können wir den Knick ausflachen, und keiner wird es merken.« Und am Brunnen sprach er dem Moabiter noch einmal seine Dankbarkeit aus: »Wenn dein Meißel die letzte Gesteinswand durchbrochen hat, bist du ein freier Mann.« Zu Hause erzählte er Kerith, was geschehen war. Dabei deutete er auf die Tontäfelchen und sagte: »Was wir vor Jahren in den Ton geritzt haben, ist nun in den festen Stein gegraben.« Er schob die Tafeln beiseite und umarmte Kerith voller Freude. »Du kommst nach Jerusalem!« Immer wieder küßte er sie und flüsterte dabei: »Für dich, nur für dich habe ich den Stollen gegraben.« Er wollte sie gerade in das Schlafgemach führen, als ihm noch etwas besonders Wichtiges einfiel. Er klopfte an die Wand, um Meschab noch einmal herbeizurufen. »Wir sollten die neuen Werkzeuge gleich jetzt den Männern bringen. Deshalb bin ich schließlich nach Akcho gereist.« Und

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