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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Cullinane die Arbeit an seinem Bericht wieder auf. Aber auch dabei sah er immer wieder Vereds reizende Gestalt vor sich. Denn oft genug hatte er über Keramiken zu schreiben - kein Wunder, daß er sie sah, wie sie mit Körben voll Scherben zwischen ihren Waschtrögen hin- und herlief. Lächelnd dachte er an die Sätze, die so oft in Vorworten zu archäologischen Veröffentlichungen zu lesen waren:    »Besonderen    Dank    schulde ich Miss Pamela
    Mockridge (der jetzigen Mrs. Peter Hanbury)« - einige Zeilen weiter erfuhr man dann, daß Mr. Peter Hanbury der Baufachmann der Expedition gewesen war. Nur wenige attraktive Archäologinnen vermochten zwei Grabungs-Saisons unverheiratet zu überdauern. Cullinane stellte sich vor, wie gut sich folgender Satz in seinem Vorwort ausnehmen würde: »Alle sind wir unserer hervorragenden Keramikspezialistin Mrs. Vered Bar-El (der jetzigen Mrs. John Cullinane) zu Dank verpflichtet.« Er kicherte. »Sollen sie sich nur die Köpfe zerbrechen, was während unserer Ausgrabung passiert ist.«
    Doch als er Eliav und Tabari den Entwurf seines Berichts zeigte, meldeten die beiden Bedenken an: Im Abschnitt über Schicht XII habe er sich zu sehr von den Ergebnissen analoger Fundstellen beeinflussen lassen. Eliav warnte:    »Ihre
    Annahmen beruhen zu stark auf Ableitungen.«
    »Er meint«, dolmetschte Tabari, »du wärst viel schlauer, wenn du viel blöder wärst.«
    »Vergessen Sie doch, was in Megiddo und Gezer geschehen ist«, riet Eliav. »Vertrauen Sie dem eigenen Augenschein.«
    »Aber wir arbeiten nun einmal nicht im leeren Raum«, verteidigte sich Cullinane. »Die Menschen in Gezer und Megiddo haben doch wohl den gleichen Problemen gegenübergestanden wie unsere hier? Oder?«
    Tabari wich der Frage aus. »Wir möchten gern, daß du einen kleinen Ausflug mit uns machst, John.« Und als die drei in den Jeep stiegen, sagte der Araber: »Also nehmen wir an, man schreibt das Jahr 3000 n. Chr. und wir sind Archäologen. Unsere Grabungen wollen wir an vier Orten anstellen, die alle in einer großen Katastrophe des Jahres 1964 untergegangen sind.«
    »Machen wir also fleißig Gebrauch von unseren Augen«, setzte Eliav hinzu, »und entscheiden wir dann, was für einen Bericht wir schreiben.«
    Sie fuhren zu einem der freundlichen neuen Außenviertel von Akko. Tabari hielt vor der Wohnung eines Freundes, um Cullinane und Eliav ein modernes Haus zu zeigen. Die Einrichtung kennzeichnete er folgendermaßen: »Zeitalter der Elektrizität, Kühlschrank, Elektroherd. Klimaanlage, Schalter in allen Zimmern. Bewohner in lebhaftem Warenaustausch mit dem Ausland, da die Teppiche aus Großbritannien sind, der Radioapparat aus Deutschland. Woher hast du den Sessel, Otto?«
    »Aus Italien.«
    Eliav setzte die Analyse fort: »Und falls wir anno 3000 Überreste dieser Bücher finden, werden wir feststellen, daß die Familie einen hohen Bildungsstand erreicht hatte, denn hier haben wir Werke in Deutsch, Französisch, Englisch, Hebräisch, Arabisch und noch einer Sprache, die ich nicht identifizieren kann.«
    »Ungarisch«, erklärte Otto.
    »Mit dem übrigen Hausrat könnten wir ähnlich verfahren«, sagte Eliav, »könnten die Brille als Beweis für eine hochentwickelte Medizin anführen und die Weinflasche mit Frankreich in Verbindung bringen. Nehmen wir also an, das sei der Standard für die Schicht XLV.«
    »Ein sehr hoher Standard«, bemerkte Cullinane höflich zum Wohnungsinhaber. »Wir haben hart gearbeitet, seit wir aus Ungarn herausgekommen sind«, antwortete dieser.
    Von Akko fuhren sie zu einem unweit gelegenen Dorf, wo Tabari um Erlaubnis bat, ein bestimmtes Haus zu betreten. Das Haus war einer Gruppe erst kürzlich aus dem Orient Eingewanderter zugewiesen worden, die noch kein Hebräisch sprachen. »Sieh dir die Einrichtung an«, sagte er. »Keine Elektrizität. Praktisch nichts, was nach 1920 hergestellt worden ist. Sehr wenig Anzeichen von kulturellen Anstrengungen. Ganz andere Art zu kochen. Überhaupt ganz andere Lebensart.« Er gab den Bewohnern des Hauses ein paar Zigaretten und dankte ihnen für ihre Freundlichkeit.
    »Den eigentlichen Schlag aber werden unsere Archäologen des Jahres 3000 erst einstecken müssen, wenn sie das nächste Dorf ausgraben.« Damit steuerte er auf ein arabisches Dorf nördlich von Makor zu. Er schrie laut auf einen Mann ein, der auf der ungepflasterten Straße stand, und fragte ihn, ob sie sein Haus besichtigen dürften. Der Dorfbewohner nickte.

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