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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Dies gefiel ihr, soweit es die Wesensart ihres Sohnes betraf. Aber es ängstigte sie zugleich, weil er seine
    Entschlossenheit nun bei der Wahl einer Frau kundtat. Sie überlegte, was sie gegen seinen überstürzten Entschluß tun könne. Als sie vorsichtig ihren Weg durch den Sumpf nördlich von Megiddo suchten, fragte sie (und es klang ganz beiläufig): »Bist du dir darüber klar, was Jeremoths Name bedeutet?« Für die Hebräer hatte der Name eines Menschen zugleich eine kennzeichnende Bedeutung. Rimmon, der ahnte, welche Absicht seine Mutter mit ihrer Frage verfolgte, sagte: »Er bedeutet >Höhen<, und auf den Höhen verrichtet er seine Andacht.«
    »Das tun auch die Seinen. Und es ist anstößig, wenn er nach Jerusalem geht oder seine Tochter beim Fest tanzt.«
    »Willst du mich vor Mikal warnen?« fragte er hastig.
    »Ja. In unserer Stadt gibt es viele hebräische Mädchen, die treu an Jahwe glauben.«
    Sie fühlte sich gedrängt, ihm zu sagen, daß er von Jahwe für einen hohen Zweck ausersehen sei und daß es deshalb notwendig für ihn sei, in allem seinen Frieden mit Jahwe zu machen. Aber sie vermochte es nicht, denn sie ahnte keineswegs, für welche Aufgabe Rimmon berufen war. Deshalb brachte sie den schwächsten aller Einwände vor: »Hast du schon einmal daran gedacht, Geula zu heiraten? Sie kommt aus einem alten Priestergeschlecht.«
    In diesem Augenblick durchquerten sie gerade den schlimmsten Teil des Sumpfes; als der Name Geula fiel, zog Rimmon ein mürrisches Gesicht. Seine Mutter ärgerte sich darüber und schalt ihn: »Geula ist vielleicht nicht schön, aber sie weiß, was Tugend ist, und es ist nicht anständig von dir, das Gesicht zu verziehen wegen eines Mädchens, das so fromm ist.« Doch Rimmon entgegnete: »Ich habe mein Gesicht verzogen wegen der Wasserschlange, die unter dem Stein hervorgeschlüpft ist.« Da schwieg Gomer und ging näher an ihn heran, denn die Nähe einer Giftschlange machte ihr
    Sorgen bei dem Gedanken, daß ihr Sohn für einen besonderen Zweck ausersehen war.
    Und dann sahen sie die Mauern von Makor vor sich. Beide verglichen die Armut dieser Stadt mit der Großartigkeit Jerusalems. Was für ein elender Ort war dieses Makor geworden! Wieviel hatten die Heere der Feinde zerstört! Wo zu König Davids Zeit innerhalb der Mauern achthundert Menschen in behaglichen Häusern gewohnt hatten, lebten jetzt weniger als fünfhundert, fast alle arm. Die fruchtbaren Felder draußen, die einst neunhundert Bauern ernährt hatten, wurden jetzt von nur noch einhundert Bauern bestellt, die nie wußten, wann die nächsten Plünderer ihre Ernte niederbrennen und sie selbst in die Gefangenschaft verschleppen würden. Es war eine Zeit bitterer Not für Galilaea; damals hatte Makor die kleinste Bevölkerung seiner langen Geschichte. Aber Gomer ahnte, daß noch sehr viel Schlimmeres bevorstand. Und das mußte auch der Grund dafür gewesen sein, daß Jahwe im Stollen ihr den Auftrag gegeben hatte, ihren Sohn auf die Heimsuchungen vorzubereiten, die den Hebräern bevorstanden. Nun sie in die Stadt zurückkehrte, in der sie so wenig Glück erlebt hatte, umfaßte sie fest die Hand ihres Sohnes. Wie sollte sie wissen, daß die Prüfung nicht ihm, sondern ihr vorbehalten war.
    Gegen den Wunsch seiner Mutter heiratete Rimmon die Tochter des Statthalters, und wider ihren eigenen Willen mußte Gomer sich eingestehen, daß Mikal eine wirklich liebenswerte junge Frau war: Immer freundlich, bewies die schöne Mikal sehr schnell, daß sich für Rimmon keine bessere hätte finden können. Sie brachte einen Brautschatz mit, größer, als er erwartet hatte, und sie überredete ihren Vater dazu, ihren Mann nicht mehr als Vorarbeiter im Olivenhain zu beschäftigen, sondern ihm als Mitbesitzer die Leitung der Arbeiten dort zu übertragen. Sie zog, ohne zu murren, in das armselige Häuschen am nördlichen Tor, nähte selbst ihre Kleider, und dann lieferte sie Rimmon den schönsten Beweis ihrer Liebe, wie sie ihn als Tochter eines Statthalters niemals hätte zu liefern brauchen: Eines Morgens, als Gomer den Wasserkrug auf ihren Kopf hob, um hinabzusteigen zum Brunnen, nahm Mikal den Krug herab und sagte: »Von jetzt an werde ich das Wasser holen.«
    Die müde alte Frau blickte in das helle Gesicht, das so hoffnungsvoll im Morgenlicht schimmerte, so voller glücklicher Erwartung des Kindes, das unter ihrem Herzen heranwuchs. Gerührt sagte Gomer: »Heute hast du mir Rubinen geschenkt«, beugte sich nieder, küßte

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