Die Quelle
auch während Tarphons Abwesenheit, und Jehubabel glaubte sich dessen gewiß zu sein, daß es zwischen seinem Sohn und der schönen griechischen Frau des Gymnasiarchen zu einer unguten
Beziehung gekommen war. Zwei qualvolle Nächte lang strich Jehubabel durch die engen Gassen beim Palast, wo er aus einem Versteck dem Kommen und Gehen seines Sohnes nachspähte. Was er sah, ließ ihn endgültig zu der Überzeugung kommen, daß Benjamin-Menelaos den Mann betrog, der ihm so viel Gutes angetan hatte. In der dritten Nacht mußte Jehubabel viele Stunden warten, bis Benjamin, seinen blauen Umhang über dem Arm, das geräumige Haus verließ und in Richtung des Gymnasions davonging. Jehubabel trat ihm überraschend entgegen und sagte auf Aramäisch, der Sprache, deren sich die Juden jetzt untereinander bedienten: »Du wirst nicht ins Gymnasion gehen. Du kommst mit mir nach Hause.«
»Die anderen warten auf mich«, antwortete sein Sohn in der Griechensprache. »Deine Mutter erwartet dich«, murmelte Jehubabel, schwer atmend, und zog seinen Sohn zum Tempel des Zeus und dann ostwärts die Hauptstraße entlang. Die üppigen Läden dort - stellten sie nicht Sinnbilder der Versuchungen dar, denen die Juden von Makor erlegen waren?
Daheim setzte Jehubabel den Jungen, der völlig verwirrt war, auf eine Bank und rief seine Mutter herbei. Gemeinsam beschuldigten die Eltern ihren Sohn, den Statthalter Tarphon betrogen zu haben, der ihnen allen so oft seine Freundschaft erwiesen hatte. »Der Hund, der die Hand seines Herrn beißt, und der junge Mann, der die Frau seines Beschützers verführt.«, begann Jehubabel. Sein Sohn sah ihn verständnislos an.
»Kann ein Mann die Glut des Ehebruchs in seinem Busen nähren und dabei seine Kleider nicht versengen?« fragte Jehubabel, aber noch immer machten seine Worte keinen Eindruck auf den Jungen.
»Ihr Haus ist der Weg zur Hölle, der dich in die Kammern des Todes führt«, murmelte der Färber. Menelaos jedoch, dessen Ohr an die Feinheiten griechischen Denkens gewöhnt war, begriff nicht, was sein frommer Vater sagen wollte. »>Wie man einen Knaben gewöhnt<«, sagte Jehubabel sehr ernst, »>so läßt er nicht davon, wenn er alt wird.< Wir warnen dich. Denn von den Lippen einer fremden Frau träufelt Süße wie aus Honigwaben, und ihr Mund ist geschmeidiger als Öl.«
»Vater, du redest Unsinn«, sagte Menelaos auf Griechisch.
Jehubabel war sprachlos. Er hatte seinem Sohn die höchste Weisheit dargeboten, die er kannte - und der Junge machte sich über ihn lustig! Er spürte, daß er dem Jungen mit aller Deutlichkeit klarmachen mußte, um was es ging, damit er endlich einen klaren Kopf bekam; er spürte, daß man ihn zwingen mußte, das Unrecht des Ehebruchs einzusehen. Aber er fand nicht die rechten Worte, sondern brachte nur den uralten Spruch der Juden vor: »Ein Sohn, der seinem Vater flucht, dessen Lampe soll verlöschen in Dunkelheit.« Für Jehubabel, der im Denken der Juden großgeworden war, war dies ein Satz, der Fürchterliches bedeutete. Für Menelaos aber waren es nur Worte.
»Ich habe dir nicht geflucht, Vater. Ich habe nur gesagt, du redest Unsinn, und das tust du. Also, was meinst du eigentlich?«
Jehubabel wich vor seinem aufsässigen Sohn zurück. »Ich warne dich! Der Ehebruch mit der Frau des Statthalters Tarphon.«
Menelaos lachte frei heraus, ein erleichtertes Lachen war es. »Das also ist’s, was dich ängstigt?« fragte er. Dann sagte er, mit Handbewegungen nachhelfend, in abgehackten Sätzen: »Daß ich. in Melissas Haus. und Tarphon ist in Ptolemais?« Wieder lachte er und sagte: »Vater, der Statthalter selbst hat mich dazu aufgefordert. Viele von uns gehen zu Melissa. Wir sitzen mit ihr zusammen, und sie liest uns vor.«
Jehubabel setzte sich schwerfällig hin. »Was tut ihr?« stotterte er. »Oder wir reden miteinander.«
»Worüber?«
Menelaos wußte einen Augenblick lang nicht, was er antworten sollte. Heute hatte Melissa über ein Theaterstück gesprochen, das in Athen aufgeführt worden war, über einen Philosophen aus Antiochia, und von einem Erlebnis auf Rhodos, wo ein zahmer Bär sie gejagt hatte. »Nun, wir sprechen über vieles.« Das Zögern seines Sohnes bestärkte Jehubabel nur in seiner Meinung, Tarphons Palast sei eine Lasterhöhle wilder Ausschweifungen, in die sein Sohn hineingetaumelt war. »Gestohlenes Wasser ist süß, Benjamin, und das Brot, im geheimen verzehrt, schmeckt angenehm, doch darinnen sitzt der Tod.« Für Jehubabel kam
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