Die Quelle
Sieges, so konnte das alle Schmerzen rechtfertigen. Daher hielt es Tarphon jetzt für angebracht, seinem jungen Freund Mut zuzusprechen, wie es Männer manchmal brauchen, um zu einer Entscheidung zu gelangen. »Menelaos, wenn ein junger Mann sich im Ringen übt, so tut er das nicht nur, weil er den Lorbeer des Sieges gewinnen will. Als ich in deinem Alter war, habe ich wie ein Besessener an den Ringkämpfen teilgenommen, aber ich habe auch studiert - und als es soweit war, daß das Reich einen Statthalter in Ptolemais brauchte, wurde ich ernannt. Das Amt jedoch hatte ich mir schon lange zuvor buchstäblich errungen. Eines Tages wird man mich befördern, und mein Posten wird frei sein. Nun weiß ich, daß Antiochos einen Juden in eine der wichtigen Stellungen des Reiches berufen möchte. Um euer Volk mit der Tatsache seiner Herrschaft zu versöhnen. Dieser Jude könntest du sein.«
Menelaos war schläfrig. Das Ringen, das heiße Bad, der durchdringende Geruch des Öls überwältigten ihn, aber ehe er in die Bewußtlosigkeit des Schlafes versank, sagte er: »Nächste Woche, beim Wettlauf nach Ptolemais, möchte ich mich mit Euch messen.«
»Das sollst du«, sagte Tarphon.
Am Morgen des alljährlichen Wettlaufs riefen Trompeter die Zuschauer am Haupttor von Makor zusammen. Dort stand schon Statthalter Tarphon, in der Rüstung eines hohen Offiziers, das Schwert an der Seite, den Helm auf den Kopf. Um ihn drängten sich die sieben Athleten; in ihrer blauen einheitlichen Tracht sahen sie aus wie Götter. Etwas entfernt von ihnen standen vier oder fünf jüngere Wettkämpfer, die sich noch nicht so hervorgetan hatten, daß auch sie die blaue Tracht tragen durften, die aber hofften, mit der Teilnahme an dem Acht-Meilen-Rennen nach Ptolemais Anwärter auf diese Anerkennung zu werden. Im weiten Kreis um die Läufer hatten sich Bürger von Makor eingefunden, die Griechen, die Kanaaniter, die Juden, die Phönizier und die Ägypter, alle mit ihren Frauen und Töchtern.
Die Läufer saßen jetzt auf den Stufen am Tor, banden ihre festen Schuhe auf und zogen die Sandalen an. Mit ein paar Laufschritten wurde geprüft, ob sie richtig saßen. Die blauen Umhänge flatterten im Morgenwind - die Sieben sahen wirklich wie Götter aus! Abermals ein Trompetensignal. Die Wettkämpfer nahmen ihre Kopfbedeckung ab und reichten sie Freunden, was für diese eine Ehre bedeutete; dann band sich jeder Läufer ein schmales weißes Tuch um die Stirn. Wieder bliesen die Trompeten, worauf die Wettläufer sämtliche Kleider ablegten. Nackt standen sie nun im Sonnenlicht, braungebrannt und muskulös. Im ganzen Reich gab es wohl kaum prächtigere Gestalten. Der stattlichste aber war der ebenfalls nackte Gymnasiarch - ein Mann vollendeter Körperbeherrschung und höchster Leistungsfähigkeit, zwar schon etwas über das Alter hinaus, in dem man an solchen Kämpfen teilnahm, jedoch immer noch in der Lage, die meisten Bewerber zu besiegen. Wer wollte es den jungen Athleten verargen, wenn sie ein paar Augenblicke lang hin-und hergingen, um sich von den Zuschauern bewundern zu lassen? Jedermann konnte bei dieser Gelegenheit sehen, daß unter den Teilnehmern am Lauf nur Menelaos ein Jude war.
Jetzt griff Tarphon lässig nach einem Tuch und schlang es um die Hüften. Die anderen folgten seinem Beispiel. Der Gymnasiarch gab den Trompetern noch einmal das Zeichen zum Blasen, und dann sprach er zu den Läufern, so laut, daß auch die Bürger der Stadt es hören konnten: »Wer von euch mich auf dem Weg nach Ptolemais nicht schlägt, bekommt dort keinen Wein und in Makor kein duftendes Öl für das Bad.« Die Läufer lachten, während er von einem zum anderen ging, gegen die starken Schultern seiner Freunde boxte und mit der Faust die harten Bauchmuskeln einzudrücken versuchte.
Melissa trat vor, küßte ihren Mann, küßte dann Menelaos und die anderen jungen Männer, die in ihrem Hause wohnten. Zu den übrigen sagte sie: »Wenn ihr Tarphon heute nicht besiegt, wird er unausstehlich sein. Also, bitte, laßt ihn um meinetwillen nicht gewinnen.« Alle lachten. Dann gab Melissa das Zeichen zum Start. Die Athleten liefen die Rampe hinab und die Straße westwärts nach Ptolemais. An den weit ausholenden, regelmäßigen Schritten des rothaarigen Gymnasiarchen ließ sich unschwer erkennen, daß es keine Kleinigkeit war, ihn zu besiegen.
Unter den Zuschauern war auch Jehubabel gewesen. Voller Scham hatte er inmitten der Juden gestanden und jenen schrecklichen Anblick
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