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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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das, was er eben gesagt hatte, einem Fluch gleich; für Menelaos war es völlig belanglos.
    Noch einmal versuchte der Junge zu erklären: »Wir Sieben. Wie seine eigenen Söhne behandelt uns Tarphon. Und Melissa hat uns gern; sie gibt uns so viele Ratschläge.«
    »Du bist in das Haus des Bösen eingetreten, und die Diener haben die Tore geschlossen«, sagte Jehubabel. Menelaos blickte ihn in ratlosem Schweigen an. Er wußte nun, daß es ihm nicht gelingen werde, sich seinem Vater verständlich zu machen. So nahm der junge Athlet, ohne noch ein weiteres Wort zu sagen, einige Kleidungsstücke an sich und verließ das Haus. Als Jehubabel ihn fragte, wohin er gehe, sagte Menelaos: »Zum Statthalter. Schon lange hat er mich gebeten, bei ihm zu wohnen. Und das werde ich jetzt tun.« Von Stund an ließ er sich im Haus an der Synagoge nicht mehr sehen.
    Als Tarphon aus Ptolemais zurückkam, hatte er zwei Dinge zu tun, die gar nicht nach seinem Geschmack waren. Auf Befehl des Antiochos Epiphanes ließ er bekanntmachen, daß man sofort alle jüdischen Haushalte nach Kindern männlichen Geschlechts durchsuchen werde; falls sich irgendwo ein Knabe im Alter von weniger als sechs Monaten finde, der beschnitten worden sei, sollten seine Eltern ausgepeitscht und bei lebendigem Leibe geschunden werden. Nach Verkündigung des Befehls rief er Jehubabel zu sich ins Gymnasion und sagte: »Ich hoffe, Ihr habt nicht gegen das Gesetz verstoßen?«
    Der bärtige Färber sah Tarphon schweigend an, denn er betete im stillen, daß der Bauer Paltiel seinen Sohn versteckt halte. Tarphon jedoch meinte, der Jude antworte aus Feindseligkeit nicht, aus Zorn darüber, daß Menelaos in den Palast gezogen war. »Glaubt mir, Jehubabel, wenn Euer Sohn erst einmal Sieger in den Wettkämpfen des Reiches geworden ist, werdet Ihr mir dankbar sein, daß ich ihn dazu ausgebildet habe.« Jehubabel jedoch betete immer noch. Und Paltiel war es in der Tat gelungen, seinen Sohn Isaak draußen bei der Schafherde zu verstecken. An jenem Tage entgingen die Juden der ihnen angedrohten Strafe. Als endlich der Anführer der griechischen Krieger im Gymnasion meldete, es sei keine Beschneidung festgestellt worden, fand Jehubabel seine Ruhe wieder. Auch Tarphon konnte man anmerken, wie erleichtert er war, daß man keine Schuldigen gefunden hatte. »Wir wollen bei uns hier keine Hinrichtungen mehr«, sagte Tarphon und nahm Jehubabel bei der Schulter. »Danke, alter Freund, daß Ihr uns alle davor bewahrt habt.«
    Nachdem der untersetzte Jude in seinem langen Gewand das Gymnasion verlassen hatte - er war der am wenigsten athletisch aussehende Mann, den man je hier gesehen hatte -, zog Tarphon sich aus und ging in die Halle der Ringer, zum Übungskampf mit Menelaos. Während des Ringens dachte Tarphon an das zweite Unangenehme, das ihm bevorstand. Als die beiden nach dem Kampf mit all den Griffen und Würfen im Dampfbad saßen, begann der Statthalter behutsam, die Aufmerksamkeit seines Schützlings zu wecken: »In Ptolemais war eine Gruppe von Ringern aus Tyros. Sie haben behauptet, bei den Kämpfen im Norden des Reiches Sieger gewesen zu sein.«
    Menelaos fragte wie nebenbei: »Habt Ihr gegen sie gekämpft?«
    »Ja.«
    Menelaos atmete schwer. »Habt Ihr sie besiegt?«
    »Leicht.«
    Tarphon beobachtete Menelaos sehr genau. Was er sah, beruhigte ihn. Die Lippen des jungen Mannes zitterten leise. Der Statthalter wußte, was Menelaos dachte: Wenn Tarphon sie geschlagen hat und ich Tarphon besiegen kann, dann müßte ich eigentlich Sieger bei den Endkämpfen werden können. Aber Menelaos war vorsichtig. Zögernd, um seinen Gönner nicht zu kränken, fragte er: »Waren sie wirklich Sieger?«
    »Sie haben es behauptet. Sagten, in Antiochia würden sie bestimmt gewinnen.« Was jetzt geschah, machte Tarphon froh: Menelaos lächelte. Es war das entspannte Lächeln eines Mannes, der den Sieg vor sich sieht. Weder Überheblichkeit noch Eitelkeit lag in diesem Lächeln. Es zeigte nichts an als die freudige Erwartung eines Wettkampfs, der begründete Aussicht auf Erfolg bot. Männer, die niemals an athletischen Spielen teilgenommen hatten, vermochten dieses Lächeln wohl kaum zu deuten. Wer aber wie der Gymnasiarch den größten Teil seines Lebens begeisterter und erfolgreicher Athlet gewesen war, verstand es als Zeichen des Selbstvertrauens, das den Sieg erringen hilft. In diesem Augenblick war Menelaos ein echter Grieche. Und als solcher sagte er: »Ich kann es gar nicht erwarten, in

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