Die Quelle
die Tür geschlossen hatte, versuchte der Ägypter seinem Patienten Menelaos einen Schreck einzujagen, indem er einen Vorhang beiseite schob, hinter dem die Statue eines Athleten stand, nackt und sehr groß. Der Arzt ergriff ein Messer, nahm das Glied der Statue in die linke Hand und tat so, als bringe er ihm vier scharfe, tiefe Schnitte bei. Dabei rief er laut: »So wird das gemacht«, sah dabei aber nicht auf die Statue, sondern auf Menelaos. Der zuckte zwar zurück, und das Blut wich ihm aus dem Gesicht, doch wandte er sich nicht ab, sondern blickte unentwegt auf das Messer und das marmorne Glied. Ihn beschäftigte nur ein Gedanke: ob er den Schmerz wohl ertragen könne. »Die Schmerzen«, erklärte der Arzt ruhig, »sind so groß, daß ein Jude, der älter war als du, Selbstmord begangen hat.«
Menelaos biß sich auf die Lippen und erwiderte dann: »Er wollte auch nicht den Preis, den ich erringen will«, worauf der Ägypter rasch mit dem Messer auf ihn zutrat, um ihn abermals zu erschrecken. Aber Menelaos wich nicht zurück.
»Ich glaube, wir sind soweit«, sagte der Arzt. »Du darfst schreien, soviel du willst - das macht den Schmerz erträglich.« Er bereitete einen Tisch vor, auf den sich Menelaos legen mußte, und rief drei Sklaven herbei, die ihn festhalten sollten.
Aus Makor erhielt Tarphon Berichte, eine Judenfamilie, die gegen das königliche Gesetz verstoßen habe, sei hingerichtet worden; im übrigen habe sich die Erregung darüber wieder gelegt. Nachdem ihm der ägyptische Arzt außerdem versichert hatte, daß Menelaos vorbildlich tapfer gewesen sei und bald geheilt sein werde, versammelte der Statthalter den Rest seiner Mannschaft und kehrte nach Makor heim, wo man Tarphon und die Seinen mit Begeisterung empfing. Nur die Juden blieben in ihren Häusern, und als man zudem bemerkte, daß Menelaos, der Jude, nicht dabei war - und dies so bald nach den Hinrichtungen! -, liefen sofort allerlei Gerüchte um, denen der Gymnasiarch jedoch schnell ein Ende machte, indem er erklärte, Makor sei eine große Ehre widerfahren: »Unser junger Meister Menelaos ist zu den Spielen in der Hauptstadt Antiochia eingeladen worden.« Als die Menge aufhorchte, setzte er hinzu: »Er übt jetzt in Ptolemais, wird aber bald heimkommen.«
Drei der Athleten nahm Tarphon mit in den Palast, wo Melissa ein kleines Fest gerichtet hatte. Bei dieser Gelegenheit verkündete er, der junge Phönizier Nikanor, der ihn beim Rennen nach Ptolemais besiegt habe, dürfe hinfort die blaue Tracht tragen; feierlich überreichte er dem vor Stolz Errötenden das so begehrte Ehrenkleid. Melissa küßte Nikanor. Dann aber sagte Tarphon, er müsse jetzt ins Gymnasion. Dort befahl er einem Sklaven, Jehubabel zu holen. Das Gespräch verlief von Anfang an unerfreulich. Tarphon versuchte, dem Sprecher der Juden auseinanderzusetzen, daß seine Hände im Fall der Familie Paltiel gebunden gewesen seien - leider. Während seiner Abwesenheit habe Antiochos Epiphanes -bedauerlicherweise - den erneuten Befehl erteilt, und da er -zu seinem Leidwesen - nicht rechtzeitig habe nach Makor zurückkehren können. Es war Jehubabel anzusehen, mit welchem Ekel er den lahmen Ausreden des Statthalters zuhörte. Dies reizte Tarphon, so daß er den Juden anfuhr: »Wenn ich hiergewesen wäre, hätte ich Euch wahrscheinlich auch verhaften lassen, denn Ihr wart in diese Angelegenheit verwickelt.« Doch Jehubabel, bislang ein furchtsamer Mann, ließ sich nun nicht mehr einschüchtern. Sobald Tarphon dies erkannt hatte, versuchte er, Jehubabel umzustimmen, denn er wußte nur zu gut, daß es bei einer offenen Feindschaft zwischen ihnen beiden nicht leicht war, in Makor Ruhe und
Ordnung aufrechtzuerhalten. »Laßt uns den Fall Paltiel vergessen«, rief er. »Wichtiger ist Euer Sohn. Von dem habe ich gute Nachricht für Euch. Er hat mit den Besten gerungen und sie alle besiegt.« Er deutete mit dem Finger auf den dicken Juden, als er ihm prophezeite: »Und eines Tages wird der Junge im Kreis der Sieger von Olympia stehen.«
Jehubabel sah Tarphon an, als sei dieser verrückt geworden. Eigentlich wollte er ihm entgegnen, welch ein heller Wahnsinn es sei, wenn einer, der eine ganze Landschaft und diese Stadt hier beherrsche, seinen Stolz darein setze, sich nackt vor allem Volk zu zeigen - als ob athletisches Können etwas mit Rechtschaffenheit zu tun hätte! Statt dessen übermannte ihn der Zorn, und so richtete er seinen Angriff gegen Tarphons Frau: »Wie könnt Ihr vorgeben,
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