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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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herrschen zu wollen, wenn Ihr nicht einmal Eure eigene Frau im Zaum zu halten versteht?« Tarphon war verblüfft. »Was meint Ihr damit?«
    »Meinen Sohn. Eure Frau.« Der Jude war kaum zu verstehen, aber Tarphon erriet, was dieser gemeint hatte: Jehubabel mußte sich häßliche Gedanken über etwas gemacht haben, von dem dieser Jude aber auch gar nichts verstand. »Was soll denn zwischen Eurem Sohn und Melissa sein?« fragte er. »Er wohnt in Eurem Haus. Am Tor hat sie ihn geküßt, und Ihr habt zugesehen. Schämt Ihr Euch nicht?«
    Tarphon konnte nur die Hände ringen. Wie sollte man einem Juden beibringen, was Griechentum bedeutete? Der Statthalter mußte an die Jahre denken, die er in Athen verlebt hatte. Damals war er in den besten Häusern aus und ein gegangen, und überall hatten schöne Frauen junge Männer gefördert, ohne sich dadurch auch nur im geringsten bloßzustellen. Eine gescheite griechische Ehefrau wußte, was sich gehörte. Und Tarphon schätzte an seiner schönen Frau, mit welcher Selbstverständlichkeit sie sich unter jungen Männern unterschiedlicher Bildung bewegte und sie zu weiteren
    Leistungen anspornte; gerade diese Gespräche über Philosophie, Kunst, Politik waren es ja, die das Leben lebenswert machten. Wie leid konnte einem dieser engstirnige Jude tun, der das alles so ganz anders auslegte. »Ihr solltet auf Eure Frau achtgeben«, sagte Jehubabel warnend, nicht ohne einen seiner Sprüche anzubringen. »Wie ein Juwel aus Gold im Rüssel eines Schweins, so ist eine schöne Frau ohne Zurückhaltung.«
    »Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Tarphon aufgebracht. »Wie kann ein Mann, dessen Frau eine Hure ist, noch Frieden finden?«
    »Macht, daß Ihr fortkommt«, schrie Tarphon und sprang auf, um den Juden aus seinem Zimmer zu werfen. Er hatte versucht
    - die Akten bewiesen, wie verzweifelt er es versucht hatte! -, Frieden mit Jehubabel zu halten. Von heute ab war Schluß damit. Als er mit dem Juden an der Tür stand, sagte er drohend: »Das Gesetz wird erzwungen. Mit Gewalt. Und wenn wir das nächste beschnittene Kind finden, seid Ihr dran. Denn Ihr habt teil an Paltiels Schuld.«
    Er schob den Juden aus der Tür. Doch nun sah sich Jehubabel der Statue des Antiochos gegenüber. Mit einem Mut, wie er ihn nie zuvor gekannt hatte, schrie er voller Zorn den Namen, den die Juden zum Hohn für den größenwahnsinnigen Tyrannen erfunden hatten: »Antiochos Epimanes« - Antiochos der Verrückte - und spuckte den Diskuswerfer an. Mit dem lauten Ruf: »Eitelkeit. Eitelkeit. sie wird zugrunde gehen«, verließ er das Gymnasion.
    Noch am gleichen Abend sprach Tarphon mit Melissa über das unerquickliche Gespräch. Sie war betrübt, daß der Jude sich derart unsinnig aufgeführt hatte; gewiß, man konnte es ihm nachsehen, daß er ihr Tun so mißverstanden hatte, denn die griechische Lebensart mußte einem strenggläubigen Juden seltsam vorkommen. Aber unverständlich war es ihr, daß er seinen eigenen Sohn so falsch einschätzte. »In Menelaos hat er den besten Jungen von Makor. Aber es sieht so aus, als wolle er seinen Willen brechen. Warum vermag er denn nicht einfach, dieses wunderbare Geschenk der Götter anzunehmen? Anstatt in ihm einen Verbrecher zu sehen?«
    Sie regte sich so auf, daß sie darauf bestand, mit Jehubabel zu sprechen, und zwar sofort. Aber Tarphon lehnte es ab, auch nur noch ein Wort mit dem Juden zu wechseln. Deshalb nahm Melissa sich das Recht, das ihr als Griechin zustand, rief zwei ihrer Sklaven, die sie mit Öllämpchen begleiten mußten, und machte sich auf den Weg zu Jehubabels Haus. Dort ließ sie den verblüfften Färber gar nicht erst zu Wort kommen, sondern trat ein und nahm wie eine Nachbarin auf einem der Küchenstühle Platz.
    »Jehubabel«, begann sie in der landesüblichen Umgangssprache, der Koine. »Ich bin traurig über die Mißhelligkeiten, die zwischen Euch und Menelaos entstanden sind.«
    Der Jude dachte: Sie hat meinen Sohn verführt, und jetzt will sie mich übertölpeln. Aber warum?
    »Und ich bin noch trauriger darüber, daß Ihr mit meinem Mann Streit habt. Wirklich, Tarphon ist der beste Freund der Juden. Er hat bei jedem Gesetz versucht, es abzuschwächen.«
    Der Jude dachte: Aha! Es gibt also schon wieder irgendeinen neuen Erlaß, und Tarphon hat Angst, ihn mit mir von Angesicht zu Angesicht zu besprechen. Und deshalb hat er seine Frau geschickt, um mich hinters Licht zu führen. »Mein Mann und Menelaos haben mir erzählt, was Ihr von mir denkt.

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