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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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In die Berge.«
    »Aber können wir dort leben?« fragte der Bäcker. »Können wir dort leben?« gab Jehubabel zurück.
    Und so entspann sich eine sehr ernste Aussprache darüber, ob und wie es den Juden von Makor möglich sei, fern ihrer Stadt zu überleben. Alle hatten Furcht, bis Jehubabel sie aufrüttelte: »Unser Volk hat jahrhundertlang so gelebt. Auch wir können es.«
    »Aber es werden so wenige sein«, meinte Zattu, obschon er es war, der das Todesurteil riskiert hatte.
    Jetzt aber wurde Jehubabel - zum erstenmal in seinem Leben
    - zum Propheten: »Ich aber glaube, auch andere Juden in anderen Städten haben erkannt, daß von den Griechen nichts mehr zu erhoffen ist. Ich glaube, auch andere Juden sprechen heute so miteinander wie wir hier.« Er stockte - jeder, der ihn gehört hatte, vermochte sich vorzustellen,, wie sehr auch die anderen Juden durch die Verfolgung in Bedrängnis geraten waren und wie auch sie nach einem Ausweg suchten. Nach Mitternacht wurde beschlossen, daß beim ersten Anzeichen der nächsten Durchsuchung alle Anwesenden mit ihren Familien aus Makor fliehen sollten, um in den Sümpfen oder Bergen zu überleben. Während einer nach dem andern fortging, befragte Jehubabel jeden noch einmal: »Gelobst du es?« Und alle gaben ihm ihr Wort.
    Die Woche war zu Ende gegangen, die Spannung aufs äußerste gestiegen, denn niemand wußte, wann der nächste Schlag folgen sollte. Da gab es eine Überraschung: Menelaos kehrte aus Ptolemais zurück, begleitet von einer Ringermannschaft, die zu Schiff von Zypern gekommen war. Tarphon beeilte sich, der Bürgerschaft von Makor ankündigen zu lassen, daß im Gymnasion ein Wettkampf stattfinden werde. Im Kreise der Athleten aber sagte er: »Ich selbst trete gegen den zweiten Mann der Zyprioten an. Ihrem Meister aber wird sich unser Meister stellen: Menelaos!« Stolz legte er den Arm um die Schultern seines heimgekehrten Schützlings.
    Am Nachmittag wurden die Tore des Gymnasions weit geöffnet. Rasch füllten sich die steinernen Sitze in der Arena. Die Juden waren zur Teilnahme gezwungen worden, denn man hatte in Erfahrung gebracht, daß sie sich weigern wollten, dem zuzusehen, was sie als heidnische Bräuche bezeichneten. So saß in der vordersten Reihe, gegenüber Melissas Loge, Jehubabel, die Arme störrisch über seinem dicken Bauch gekreuzt, die Augen auf den sandigen Boden der Arena gerichtet. Es war schon demütigend genug, seinen eigenen Sohn sich nackt vor der Menge bewegen sehen zu müssen. Daß dies aber an einem Tag geschah, an dem jederzeit das Unheil über die jüdische Gemeinde hereinbrechen konnte -daran zu denken war grauenvoll.
    Ein Trompetensignal. Aus den Türen, die zu den Ankleideräumen führten, marschierten die Zyprioten in die Arena, nackt, sonnengebräunt von der Schiffsreise und siegesgewiß. Sie kamen von der größten Insel des Ptolemäerreiches, um einem Landstädtchen am Rande des Seleukidenreiches zu zeigen, wie sich Männer von Welt benahmen; so stellten sie sich mit einer Art gefälligen Hochmuts zur Schau. Melissa dachte beim Anblick der prachtvoll gewachsenen Männer, wie überrascht wohl zumindest die ersten beiden sein würden, wenn sie im Wettkampf auf Menelaos und ihren Mann trafen.
    Wieder ein Trompetenstoß. Eine andere Tür öffnete sich. Jetzt kamen die sechs Athleten von Makor, geführt von dem rothaarigen Gymnasiarchen. Die Zuschauer klatschten Beifall. Während sich jedoch die Kämpfer in der Mitte der Arena aufstellten, hörte man in den vorderen Reihen ein Murmeln. Von Reihe zu Reihe setzte es sich fort, bis es sich schließlich in lauten Beifallsrufen der Griechen entlud: Man hatte gesehen, welche Veränderung mit Menelaos vor sich gegangen war! Von einer Beschneidung ließ sich nichts mehr erkennen. Viele wußten, wie schmerzhaft diese Operation war, und deshalb begrüßten sie begeistert den jungen Meister: »Menelaos, unser Menelaos!«
    Ein alter Mann, einst Meister von Tyros, schrie: »Er ist ein Grieche. ein Grieche!« Junge Frauen, die mit Interesse die Veränderung wahrgenommen hatten, klatschten entzückt und riefen: »Menelaos! Menelaos.!« Anfangs hatte Jehubabel nicht die Absicht gehabt, sich den Einzug der Athleten anzusehen, und deshalb nach wie vor zu Boden gestarrt. Als er jetzt aber hörte, daß der Beifall seinem Sohn galt, mußte er einfach aufsehen. Da stand sein Sohn, nicht weit von ihm, entspannt, wunderbar gewachsen, die Haut leicht mit Öl eingerieben. Zuerst konnte Jehubabel gar

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