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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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nicht begreifen, warum die Leute von Makor ihm Beifall klatschten. Dann jedoch stieß der Bäcker Zattu, der jeden Augenblick zu Tode gegeißelt werden konnte, weil er seinen Sohn dem Einen JHWH geweiht hatte, Jehubabel an und deutete auf das Ergebnis der Operation. Die Augen des Juden ruhten mit Erstaunen erst, dann mit Entsetzen auf dem allen sichtbaren Beweis der Schande. Er war so empört und beschämt über das, was Menelaos getan hatte, daß er die Hände vors Gesicht schlug. Und während die Menge immer noch den falschen Namen seines Sohnes rief, hörte Jehubabel sich selbst die Worte sagen, die JHWH einst gesprochen hatte: »Und wer nicht wird beschnitten an der Vorhaut seines Fleisches, des Seele soll ausgerottet werden aus seinem Volk, darum daß er Meinen Bund unterlassen hat.« Der Satz aber war ein Gebot! Jehubabel sprang von seinem Sitz auf, packte den Stock eines neben ihm sitzenden lahmen Juden und stürzte auf seinen Sohn zu. Schon der erste Schlag über den Kopf ließ Menelaos zu Boden sinken. Vier fürchterliche Hiebe mit dem Knauf zerschmetterten seinen Schädel. Mit dem Schrei: »Der Bund, der Bund!« hastete Jehubabel aus dem Gymnasion, rannte durch die Straßen und zum Haupttor hinaus. Und immer noch schrie er: »Der Bund, der Bund!« Wie verabredet, lief er in Richtung der Sümpfe. Als es Nacht wurde, hatten sich dort einige Juden zu ihm gesellt. Ein paar weiteren führenden Juden war es gelungen, in der allgemeinen Verwirrung aus dem Gymnasion zu fliehen. Andere hatten sich, als sie Jehubabels Schlachtruf hörten, mit Seilen über die Stadtmauer hinabgelassen. Sicherlich waren noch mehr entkommen, hatten sich aber noch nicht bei den Geflüchteten eingefunden. Jehubabels Frau war ahnungslos zu Hause geblieben. Ihr stand nun der Tod durch die Geißel bevor. Aber Zattu, seine Frau Anat und ihr Sohn hatten sich retten können.
    Es war eine armselige Schar, eine Handvoll Juden ohne Waffen, ohne Nahrung, versteckt in einem Sumpf, geführt von einem Mann, der seinen Sohn ermordet hatte. Und jetzt war Planschen zu hören: Griechische Krieger durchwateten den Sumpf auf der Suche nach den Geflohenen. Immer näher kamen sie - schon war zu verstehen, was sie sich zuriefen. Aber gegen Morgen verklangen die Laute. Als man sicher sein konnte, daß die Verfolger sich entfernt hatten, versammelte Jehubabel alle zum Gebet. Mit schlichten Worten, ohne seine billigen Alltagsweisheiten, sagte er: »Adonai, heute legen wir unser Leben in Deine Hände. Wir sind nichts. Wir sind eine verlassene kleine Herde Juden. Wir haben keine Nahrung und keine Waffen. Aber wir glauben fest daran, daß wir den Sieg davontragen werden über den Wahnsinnigen, der sich den göttlich Offenbarten nennt. Adonai, zeig Du uns, was wir tun sollen.«
    Keiner sprach ein Wort. Dieses Gebet hatte die Juden an den Bund gemahnt und an die Verpflichtung, die ihnen der Bund mit JHWH auferlegte. Und in der Stille hörte man abermals das Planschen. Erschreckt flüsterte einer: »Die Krieger.« Jehubabel betete:    »Adonai, wenn uns die Griechen
    gefangennehmen, so laß uns in Deinen Armen sterben.«
    Die Häscher kamen näher und näher. Vielleicht wären sie vorbeigegangen, wenn nicht Zattus Kind gewimmert hätte. So aber waren die Juden verraten. Die Laute, die sich schon entfernt hatten, kamen wieder näher. Kalte Angst packte die Hilflosen. Da flüsterte eine Stimme in der vertrauten Sprache der Juden: »Jehubabel, wir wissen, daß du hier bist. Kommt heraus! Wir sind schon seit sechs Tagen im Sumpf. Überall in Israel haben sich die Juden gegen den Unterdrücker erhoben. In Jerusalem, in Modiin, in Bet-Horon.«
    Schweigen. Es konnte eine Falle sein, gestellt von den schlauen Griechen. Doch mit einer Inbrunst, wie er sie nie zuvor gekannt hatte, wollte Jehubabel glauben. Er wollte glauben, daß er nicht allein war. Und dann ertönte von neuem die Stimme: »Jehubabel, wir wissen, daß du hier bist. Wenn du dem Gesetz mit Eifer dienst, wenn du zu dem Bund stehst, so komm heraus zu uns. Denn wir sind keine Lumpen. Wir gehören zu dem Heer, das Juda Makkabi anführt.«

    Glasflasche, handgeblasen von einem römischen Handwerker in Caesarea 20 v. Chr. Irrtümlich als »Tränenfläschchen« bezeichnet, weil man annahm, die Flasche habe zum Sammeln der anläßlich des Todes eines geliebten Angehörigen vergossenen Tränen gedient. Tatsächlich wurde die Flasche jedoch zum Aufbewahren teuren Parfüms benutzt; der enge Hals sollte das Verdunsten

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