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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Wäsche erstickt wurde. Auf Tiberius folgte der noch schlimmere Caligula, der, wie andere vor ihm, darauf bestand, als der einzige Gott verehrt zu werden. Von Süchten und Greueltaten wahnsinnig geworden, befahl er, in allen Tempeln des gesamten Imperium Romanum seine Statue aufzustellen. Dem aberwitzigen Erlaß beugten sich alle von Rom beherrschten Völker - nur eines nicht.
    Die Juden in Judaea weigerten sich, Caligula als Gott anzuerkennen, und sie weigerten sich, seine Standbilder in ihr Land zu lassen. Als der Kaiser von dieser Hartnäckigkeit erfuhr, unterbrach er für eine Weile die Orgie, die er gerade feierte, und gab folgendes kund: Er werde die Juden mit Waffengewalt zum Gehorsam zwingen und sie danach in die Sklaverei verkaufen lassen - jeden Mann und jedes Kind des ganzen Volks, sofern die Juden als einzige seiner Untertanen ihn nicht als Gott anbeteten. Der furchtbare Befehl wurde im selben Jahr gegeben, in dem Caligula sein Pferd zum römischen Konsul wählen ließ, und bald nach jenem Tag, da er, von den üblichen Metzeleien in der Arena übersättigt, Hunderte der zufällig anwesenden Besucher des Circus den wilden Tieren vorwerfen ließ, damit er sich an ihrer jähen Todespein weiden konnte.
    Caligula sandte seinen Befehl, die Juden zu züchtigen, an einen in zahlreichen Feldzügen bewährten Veteran, den Legaten Petronius, der mit zwei kriegsstarken Legionen in Antiochia stand. Dieser ebenso erfahrene wie kühne Feldherr traf sofort alle Maßnahmen, Judaea zu unterwerfen und ihm den Willen des Kaisers aufzuzwingen. Er ließ eine dritte Legion aus Italien kommen, beorderte aus Syrien drei Verbände von Hilfstruppen heran und wartete auf die Ankunft eines Schiffes, das aus Rom vierzig Kolossalstatuen des Kaisers Caligula mit sich führte. Nachdem Petronius alle Truppen versammelt hatte, zog er mit seinen Männern in Eilmärschen nach Süden. Das Schiff war nach Ptolemais befohlen. Von dieser Hafenstadt aus wollte er Judaea unterwerfen.
    Acht Meilen östlich von Ptolemais, in der kleinen Grenzstadt Makor, die, wie so oft in vergangenen Zeiten, das erste Treffen mit den Angreifern zu bestehen haben würde, lebte damals ein junger Jude namens Jigal, der die schlichten Gebote seines Glaubens noch mehr liebte als das Lachen seiner Kinder. Er war weder Priester noch Händler, sondern arbeitete an der Ölpresse im Süden der Stadt und besaß keinerlei Vermögen; nicht einmal das Haus, in dem er mit seiner Frau und seinen Söhnen lebte, gehörte ihm. Seine Familie war genügsam, und nie verschwendeten die Kinder die wenigen Drachmen, die er verdiente. Vor dem Laubhüttenfest baten sie um ein paar Münzen, damit sie die Hütte errichten konnten, in der sie und die Eltern während der heiligen Tage wohnten; vor dem Passahfest bedrängten sie ihren Vater, er solle ein Zicklein kaufen, und an den Tagen, da Königin Esthers Triumph über den bösen Perser Haman gefeiert wurde, erbettelten sie beim Vater noch ein paar Münzen mehr, um die Süßigkeiten und den Kindertand zu kaufen, die bei diesem Purimfest üblich waren. Als Petronius mit seinen Legionen nach Judaea marschierte, war Jigal erst sechsundzwanzig Jahre alt und einer der unwichtigsten Männer von Makor. Doch gerade er war es, der wie aus einer Eingebung heraus erkannte, welches Los die Juden treffen mußte, falls es den Römern gelang, ihre zum Kult des Caligula bestimmten Statuen in den Synagogen der Städte aufzustellen und den großen Tempel in Jerusalem zu entweihen. Und was noch merkwürdiger war: Jigal, dieser kleine Landarbeiter im Olivenhain, entdeckte das einzige Mittel, das den Juden die Möglichkeit gab, die Römer aufzuhalten. So war er eigentlich über sich selbst verwundert, daß er eines Morgens alle Juden, deren er habhaft werden konnte, auf dem von den Römern angelegten Forum von Makor zusammenholte und, auf den Stufen des Venustempels stehend, folgende Ansprache hielt: »Juden von Makor, unsere Väter haben uns von dem lange vergangenen Tag erzählt, da der Tyrann Antiochos Epiphanes unsere heiligen Stätten mit seinem Bildnis als dem des einzig wahren Gottes zu schänden versuchte. Damals standen unsere Vorfahren auf und vertrieben ihn aus dem Land. Ich weiß, daß wir ihre Heldentaten nicht wiederholen können. Die Römer sind um ein Vielfaches stärker, als die Syrer es je waren. Sie rücken mit ihren schrecklichen Legionen an, die nie besiegt worden sind, und wir armen Juden haben keine Macht, ihnen Widerstand zu leisten. Unsere

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