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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Oberen, Simeon und Amram, tun recht daran, uns zu raten, wir sollen die Waffen nicht gegen die Römer erheben noch sie in irgendeiner Weise reizen. Denn sonst können wir gewiß sein, daß sie unsere Stadt und Jotapata und alle übrigen Städte zerstören, sogar Jerusalem. Unsere Synagogen werden sie nicht nur entweihen, sie werden sie dem Erdboden gleichmachen, und uns verschleppen sie in die Sklaverei wie in den Tagen Babylons. Wir sind machtlos, und der Feind ist über uns.«
    Jigal zählte wahrlich nicht zu jenen Juden, denen die Mitbürger sonst zuhörten. Er war nicht hochgewachsen wie der Älteste der Priester, nicht von massiger Gestalt wie der Statthalter und keineswegs eine blendende Erscheinung: Mittelgroß und schwächlich, hatte er braunes Haar und graugrüne Augen, und Nase und Kinn waren so klein, daß sie fast lächerlich wirkten. Er hatte unregelmäßige, aber kräftige Zähne, und seine Stimme klang nicht gebieterisch, wohl aber klar, ohne heisere Laute und verschluckte Silben. Dieser Jigal war zweifellos alles andere denn ein Mann, den man in führende Stellungen wählt. Selbst im Olivenhain war er nur Hilfsarbeiter geblieben, weil er dem Besitzer mit nichts außer seiner Ehrlichkeit und Pünktlichkeit hatte Eindruck machen können. Wenn er für zwölf Stunden seinen Tagelohn erhielt, arbeitete er die geforderte Stundenzahl, manchmal auch mehr. Nicht einmal in seiner Liebe zum Judentum unterschied er sich von den anderen Juden in Makor, denn ein Eiferer vermochte er nicht zu sein. Er fand in seiner Hingabe an die dem Mose offenbarten Gesetze eine Zufriedenheit, wie sie den im Lande lebenden Römern, die Caligula-Jupiter verehrten, und den Griechen, die dem Zeus-Baal anhingen, fremd blieb.
    »Wir sind machtlos«, fuhr er an jenem Tag fort, »aber nicht kraftlos. Denn noch heute abend werde ich mit meinem Weibe Beruria und meinen drei Söhnen nach Ptolemais gehen, und dort werden wir uns vor den Legionen des Feldherrn Petronius auf den Erdboden legen und ihm sagen, daß wir eher sterben wollen als seinen Männern erlauben, Bildwerke seines Kaisers in unseren Synagogen aufzustellen. Wenn wir alle dies tun, wenn wir bereit sind, unsere Kehlen und die Kehlen unserer Kinder nackt und bloß den römischen Schwertern hinzuhalten, muß Petronius uns Gehör schenken. Er kann seinen Kriegern befehlen, uns zu erschlagen. Morgen abend werde ich vielleicht tot sein, ich und mein Weib und meine Kinder, die ich so sehr liebe. Doch wir werden den Römern gezeigt haben, daß sie den Frevel nicht begehen können, es sei denn, sie töten jeden Juden in diesem unserem Land.«
    Simeon, der anerkannte Obere der Juden in diesem Teil Galilaeas, konnte über Jigals Plan nur spotten. Nicht einmal neunhundert jüdische Kehlen könnten einem Mann wie dem Feldherrn Petronius Eindruck machen, sagte er. Aber Jigal ließ sich nicht zum Schweigen bringen. Er wiederholte seine Worte, und zu seinem Erstaunen kam ihm ein Bauer namens Naaman, älter als Jigal, aber ebenfalls ein Mann ohne Ansehen, zu Hilfe. Naaman stimmte Jigal bei: »Wir haben in der Vergangenheit erfahren, daß wir von den Römern erdrückt werden, wenn wir uns nicht mit aller Kraft widersetzen. Dies nun ist unsere letzte Prüfung. Liefern wir unsere Synagogen den Bildwerken des Caligula aus, so sind wir verurteilt. Wahrlich, es gibt keinen Ausweg, und ich bin einer Meinung mit Jigal: Wir müssen uns nach Ptolemais aufmachen, uns vor den römischen Legionen niederwerfen und ihnen sagen, sie sollen uns an Ort und Stelle töten. Ich werde mit ihm gehen.«
    »Ihr Toren! Die Saatzeit naht, und ihr werdet in den Feldern gebraucht«, warnte Simeon. Denn die Juden bestellten das Land; den Handel in den Städten besorgten die Griechen. Jigal entgegnete: »Die Felder könnten sich als unsere Hauptwaffe erweisen. Falls wir uns weigern, zu säen und zu ernten, werden die Römer uns anhören müssen.«
    »Nein«, sagte Simeon. »Keiner kann den Römern die Stirn bieten.« Und so spaltete sich die Stadt in zwei Parteien. Die meisten stimmten Simeon darin zu, daß Unterwerfung der einzige Weg sei, die Juden vor dem Untergang zu bewahren; nur wenige hingegen traten mit Jigal und Naaman dafür ein, daß es jetzt Widerstand zu leisten gelte, und wenn die römischen Legionen noch so von Waffen starrten und die Juden nichts hatten.
    Während in Ptolemais die Caligula-Statuen ausgeladen wurden, gingen die Auseinandersetzungen der Juden in Makor weiter, und ungefähr zu der Zeit, als

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