Die Quelle
tüchtiger Soldat, wurde ihm beigeordnet. Als Truppen erhielten sie die Fünfte Legio Macedonica und die Zehnte Legio Fretensis, zwei der besten Einheiten des Imperiums, rekrutiert nicht aus Söldnern, sondern aus Bürgern des Römischen Reiches. Als eine der ersten Maßnahmen nach Übernahme des Kommandos schickte Vespasian seinen Sohn nach Ägypten, wo Titus außerdem die Fünfzehnte Legio Apollinaris in Marsch setzte, eine Söldnereinheit, die unter dem Befehl des Trajanus, eines eisenharten Soldaten, für den Wüstenkrieg ausgebildet war.
In Antiochia versammelte Vespasian sein Heer - die Fünfte und Zehnte Legion, dazu dreiundzwanzig Cohorten, sechs Schwadronen Reiterei und Hilfstruppen aus Vasallenkönigreichen, ferner Techniker, Arbeiter, Sklaven -insgesamt nahezu fünfzigtausend Mann. In Eilmärschen führte Vespasian die Truppen nach Ptolemais, wo Titus und Trajanus mit der nach langer Untätigkeit in Ägypten wohlausgeruhten Fünfzehnten Legion zu ihm stießen.
Vespasian war einer der fähigsten Heerführer der römischen Geschichte: Wenn nötig, konnte er schonungslos hart sein, wie er im Kampf gegen die Germanen bewiesen hatte, wenn nötig versöhnlich, wie damals, als er Oberbefehlshaber in Britannien gewesen war, oder ein gerissener Taktiker, wie in Afrika. Er war ein standfester Mann, schwer der Körper und breit das
Gesicht, und er war ein großzügiger Mann, der Freund und Gegner achtete und ehrenhaft behandelte. Seine Soldaten vergötterten ihn und erhoben ihn schließlich zum Kaiser, der in Rom nach fünfzig Jahren endlich wieder Ordnung schaffen sollte. Als er in jenem Frühjahr 67 in Ptolemais wartete, war er, einfacher Leute Sohn, der allein kraft seines untadeligen Charakters so Außergewöhnliches erreicht hatte, vielleicht der hervorragendste Römer seiner Generation. Im Vergleich zu Männern wie Tiberius, Caligula, Claudius und Nero war dieser zähe alte Soldat tatsächlich ein Gott. Doch an derlei närrische Ausdrücke dachte er überhaupt nicht. Und er dachte auch nicht an Intrigen. Wohl aber war er sich über eines klar: Kaiser Nero, obwohl mit seinen dreißig Jahren nur halb so alt wie er selbst, hatte so viele Anzeichen völliger Geistesverwirrung erkennen lassen, daß auch er eines Tages vielleicht umgebracht werden mußte. Und falls es Vespasian gelang, die Juden schnell zu vernichten, konnte er, sobald Nero beseitigt war, auf einen guten Platz unter den Anwärtern auf Thron und Purpur rechnen. Deshalb befahl er, direkt auf Jerusalem zu marschieren, denn ein rascher Sieg war entscheidend auch für seine eigene Zukunft. Beim Kartenstudium schon stieß er jedoch auf dieselbe ärgerliche Tatsache, der sich viele gegenübergesehen hatten, die das Land der Juden erobern wollten: Um nach Jerusalem zu kommen, mußte er zunächst durch Galilaea ziehen, seit alters her die Heimat entschlossener Männer und tapferer Krieger, und um in Galilaea einfallen zu können, mußte er zuerst die kleine befestigte Stadt Makor nehmen.
Er rief seinen Stab zusammen und fragte nach der Lage in Galilaea. Schnell kamen die Antworten: »So schwierig wie eh und je. Bergiges Gelände. Voller Höhlen, in denen Fanatiker stecken. Kleine befestigte Städte auf Anhöhen. Und über das
Ganze befiehlt der beste Soldat, den die Juden jemals gehabt haben.«
»Wer?«
»Josephus. Noch jung, etwa dreißig. War schon in Rom. Brillant, wenn er sich offen gibt. Noch brillanter, wenn in die Enge getrieben. Bisher haben ihn unsere Truppen nie schlagen können. Im Sieg ist er frech, in der Niederlage unverschämt. Auf geradezu wunderbare Weise verschwindet er mit seinen Männern, um sich schon am nächsten Tag erneut zu stellen.« »Wo ist er jetzt?«
»Zu unserm Glück in Tiberias. Er verplempert dort seine Zeit.«
»Seid ihr sicher, daß er nicht in Makor ist?« fragte Vespasian. »Ja. Daß diese Stadt strategisch wichtig ist, scheint er nicht begriffen zu haben.«
»Seid ihr gewiß, daß er nicht in Makor ist?« wiederholte Vespasian. »Unsere Spione aus Tiberias haben ihn vergangene Nacht auf dem See gesehen. Unsere Spione aus Makor melden, er sei nie in dieser Stadt gewesen und auch jetzt nicht dort.«
»Also geht es schnellstens dorthin.« Der gedrungene Zeigefinger des Heerführers wischte auf der Karte den Punkt weg, der für Makor stand. Und so geschah es, daß am 4. April des Jahres 67 Vespasian mit nahezu sechzigtausend Mann und hundertundsechzig großen Kriegsmaschinen Ptolemais verließ. Neros
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