Die Quelle
und den Legaten Trajanus wecken. »Wir bleiben vor Makor, bis wir die Stadt haben. Heute wird jeder verfügbare Mann eingesetzt.«
Drinnen in der Stadt sagte um die gleiche Zeit Josephus zu den Juden: »Heute haben wir die zweite schwere Prüfung zu bestehen. Die Römer werden versuchen, uns völlig einzuschüchtern; aber wenn wir diesen Tag durchstehen, sind wir gerettet.«
Es wurden zwölf Stunden des Schreckens: Ein Hagel von Speeren, Pfeilen und Steinen ging auf die Stadt nieder, während die Kriegsmaschinen immer näher heranrückten: riesige Türme, von denen aus die Verteidiger beschossen wurden, und mächtige Katapulte, die fast hausgroße Felsblöcke durch die Luft schleuderten. An allen Stellen, an denen die Römer angriffen, hielt der Druck den ganzen Tag an. Oft genug sah es so aus, als wolle Roms Macht die Oberhand gewinnen, doch Josephus war großartig. Sein Mut riß die Verteidiger mit. Wo immer es kritisch wurde, war er zu finden. Eben noch hier, tauchte er im nächsten Augenblick schon dort auf, feuerte seine Männer an, wich geschickt den Pfeilen aus, um schon zur nächsten Stelle zu eilen. Es war, als fordere er den Tod heraus. Er kämpfte, als müsse er allein die Römer aus Galilaea vertreiben. Ohne seine Tapferkeit wäre die Stadt an diesem Tag gefallen.
Makor hielt stand. Es war wie ein Wunder: Die Handvoll Juden hinter den zu Davids Zeiten errichteten und durch Jeremoth zu Gomers Zeiten ausgebesserten Mauern schlug alle Angriffe zurück. Steinblöcke krachten in die Augusteana und zerschlugen das Dach, aber das Haupttor blieb unversehrt. Von den Wandeltürmen fiel ein Regen von Geschossen auf die Stadt. Die herrlichen Säulen des alten griechischen Tempels wurden beschädigt. Aber auch das rückwärtige Tor hielt stand. Als die Nacht kam, mußten die Römer erschöpft ihre Angriffe einstellen, ohne viel ausgerichtet zu haben.
Wie stets legte Jigal auch an diesem Abend den Gebetsmantel an, versammelte vor dem Essen seine Familie um sich und dankte im Gebet Gott für alles, was Er für Seine Juden getan hatte in diesen Stunden, da der Tod seine Hand nach der Stadt ausgestreckt hatte. Knapp genug waren Speise und Trank, denn auf Josephus’ Befehl mußte man sich auf eine lange Belagerung einrichten, selbst mit dem Wasser - für den Fall, daß den Römern der Brunnen in die Hände fiel und dann allein die Vorräte in den Zisternen ausreichen mußten für den Durst und zum Löschen von Bränden. Nicht alle Familien hielten sich an diesen Befehl. Jigal aber, der die Verantwortung für die Stadt auf sich genommen hatte, befolgte ihn.
Beruria trug das bescheidene Mahl im trüben Schein der Öllampe auf, Bohnen, Brot und Oliven. Feierlich teilte Jigal den Kleinen das Ihre zu und achtete streng darauf, daß sie nicht vor den Älteren zu essen anfingen. Schon immer hatte er es so gehalten, und die Kinder, so hungrig sie waren, folgten willig seinen Blicken, während er sich lächelnd und ernst zugleich von einem Kind zum nächsten wandte. An diesem Abend jedoch sollte er mit dem Austeilen des Essens nicht fertig werden, denn ein Bote erschien: Jigal solle schnellstens zur Mauer kommen. Voller Sorge, es sei etwas Schlimmes geschehen, setzte Jigal die Schüssel mit den Oliven nieder und verließ sein Haus, den Gebetsmantel noch um die Schultern. Am Fuße der Mauer, umgeben von Offizieren mit Fackeln, stand Vespasian, gewillt, der Belagerung ein Ende zu machen. »Jigal, Arbeiter an der Ölpresse«, rief er, »ich unterdrücke meinen Stolz und frage dich abermals: Willst du eure Tore öffnen?«
»Niemals«, antwortete Jigal.
»Zum letztenmal: Willst du ehrenvollen Frieden schließen?«
»Diese Stadt ist eine Stadt Gottes«, entgegnete Jigal von der Mauer herab, »und mit den Göttern, die du aus Rom bringst, kann kein ehrenvoller Friede sein.«
»Willst du denn das Volk dieser Stadt hinopfern?«
»Wir sind in Gottes Hand. Er wird uns erretten«, antwortete Jigal. »Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, Jigal, wird es schrecklich sein für dich.« Mit diesen Worten ging Vespasian.
Am neunzehnten Tag der Belagerung geschah etwas Entsetzliches. Am Morgen dieses Tages befahl Josephus seinen Berufssoldaten, die Fässer voll Olivenöl herbeizuschaffen, die Jigal bereitgestellt hatte; große Feuer wurden auf dem Forum zwischen der Augusteana, deren Dach eingestürzt war, und dem beschädigten griechischen Tempel entzündet. Jigal sah die Ölfässer, sah die Feuerstellen und ahnte, was Josephus
Weitere Kostenlose Bücher