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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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hinaufstieg.
    Er fand Makor in heller Empörung. Kaum war seine Ankunft bekanntgeworden, da drängten sich bereits Angehörige der dreißig Familien in sein kleines Haus neben der Synagoge, um ihrem Unwillen Ausdruck zu geben. Schemuel rief: »Vierzig Jahre habe ich gearbeitet, um meine Bäckerei aufzubauen. Die Leute werden nicht zur Stadt hinausgehen, um Brot zu kaufen.«
    »Wir werden Grundstücke innerhalb der Stadt finden, das ist selbstverständlich«, versprach Rabbi Ascher.
    Esra der Schuhmacher brachte eine andere Sorge vor: Auf beiden Seiten seines bisherigen Hauses hatte er zusätzlich Zimmer für seine zwei Söhne und deren Frauen angebaut. Das Haus hingegen, das die Byzantiner auf dem neuen Platz für ihn vorgesehen hatten, besaß bei weitem nicht genügend Raum für drei Familien. »Für unser eines Haus in der Stadt müßten wir draußen drei bekommen.«
    »Das klingt nur vernünftig«, sagte der Alte. »Ich bin gewiß, daß die Byzantiner uns Gehör schenken werden.«
    »Mir nicht«, erwiderte Esra.
    »Mich werden sie anhören«, versicherte ihm der Rabbi. Nachdem er alle Beschwerden entgegengenommen hatte, dachte er: Keine von all diesen Schwierigkeiten ist so, daß Männer guten Willens sie nicht bewältigen könnten. Er verließ sein Haus bei der Synagoge und ging zu deren Nordseite, wo der Presbyter Eusebios den Arbeitern, die bereits den Grundriß der Basilika absteckten, Anweisungen gab. Andere waren mit dem Abbrechen der Judenhäuser beschäftigt. Als der Rabbi sah, wie ungewöhnlich groß die Basilika werden sollte - fast doppelt so groß wie seine doch wahrlich stattliche Synagoge -, stockte ihm der Atem. War das ein den Christen zustehendes Maß? Kein Wunder, daß seine Juden aufbegehrten! Als er jedoch zu Eusebios hintrat, um ihn wegen des Abreißens der Häuser zur Rede zu stellen, kam der schlanke Spanier jeglicher Beschwerde zuvor, indem er mit ausgestreckten Händen über den Schutt ihm entgegenschritt: »Ich bin froh, daß Ihr wieder hier seid, Rabbi Ascher! Ich möchte, daß Ihr Euch anseht, was wir zum Schutz Eurer Synagoge unternommen haben.« Und bevor Ascher antworten konnte, führte ihn der Priester zur schmucklosen Rückwand der Synagoge, um ihm zu zeigen, daß der zwischen Basilika und Synagoge vorgesehene Abstand etwa achtzehn Ellen betrug. »Wir werden friedlich nebeneinander bestehen«, sagte der Spanier.
    Noch ehe Rabbi Ascher sich zu dieser versöhnlichen Geste äußern konnte, führte ihn Eusebios von der Stätte der Zerstörung fort in sein Arbeitszimmer, einen Raum mit einem Boden aus gestampftem Lehm und mit kahlen Ziegelwänden, an denen ein silbernes Kruzifix (es war aus Italien) und eine hölzerne Ikone aus Konstantinopel hingen. Die Ausstattung war ebenso karg: ein Tisch aus rohem Holz und zwei Stühle. Wenn dieser nüchtern-streng wirkende Raum auch keineswegs erkennen ließ, daß der Priester aus altem Adel stammte, so verriet er doch eine gewisse männliche Härte. Sobald Rabbi Ascher sich gesetzt hatte - angesichts dessen, was die Thora »geschnitzte Bilder« nannte und als Abgötterei verdammte, fühlte er sich unbehaglich und fehl am Platze -, lächelte Eusebios gewinnend und sagte in abbittendem Tonfall: »In einer Angelegenheit bin ich allzu nachlässig gewesen, Rabbi Ascher. Ich habe mich nicht über die Umsiedlung Eurer Juden in ihre neuen Häuser draußen unterrichten lassen. Dabei ist es zu gewissen Ungerechtigkeiten gekommen, von denen ich erst gestern abend gehört habe. Deshalb habe ich meinem Diener Jochanan Anweisung gegeben.«
    »Dem Steinmetz?«
    »Ja. Ich habe ihn beauftragt, für den Bäcker eine Stelle innerhalb der Stadt zu suchen. Man kann die Leute schließlich nicht zwingen, weite Strecken zu gehen, um ihr Brot zu kaufen, nicht wahr?« Er hob die feingliedrigen weißen Hände zu einer fast demütigen Gebärde. »Falls der Bäcker sich bei
    Euch beklagt, sagt ihm deshalb bitte, daß er sich zu recht beklagt und daß man für ihn sorgen wird.« Endlich fand der kleine Rabbi Gelegenheit, selbst etwas zu sagen. Seine erste Sorge galt weder dem Grundsätzlichen noch dem, was da über Galilaea heraufzuziehen begann, sondern einem Menschen. Er sprach über den Steinmetz. »Sagtet Ihr, Jochanan arbeite für Euch?«
    »Ja. Wir benötigen ein großes Mosaik für die Basilika.«
    Was Ascher da hörte, erschien ihm ebenso wichtig wie verdächtig. Warum ein großes? Damit die Basilika eindrucksvoller wurde als die Synagoge? Warum ein Mosaik? Weil die

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