Die Quelle
seinen von der schweren Arbeit an den Färberbottichen abfallenden Schultern und den großen, meist mit Farbe beschmutzten Händen war er ganz gewiß keine anziehende Erscheinung. Aaron achtete nicht auf sein Äußeres. Nun - Schimirit hatte ihn sich nicht ausgesucht. Jetzt aber, seitdem ihr Mann fern von daheim war, begann sie, sich vor ihm zu fürchten.
Wann und wo immer sie ihm begegnete, starrte er sie lüstern an. Seine eigene Frau sah er überhaupt nicht mehr. Stets versuchte er, sich so hinzustellen, daß Schimirit dicht an ihm vorbeigehen mußte, und bei jeder Gelegenheit langten seine rotfleckigen Hände nach ihren Schenkeln. Sie wich ihm aus, so oft es nur möglich war, aber da sie so unmittelbar nebeneinander wohnten, ließ es sich einfach nicht vermeiden, daß er ihr in den Weg lief. Wie ekelhaft, wenn er plötzlich hinter einer Tür hervorstürzte, um sie zu packen. Eines Tages -Aarons Frau war nicht da - glaubte er am Ziel zu sein: Er drängte Schimirit in eine Ecke und belästigte sie auf die widerlichste Weise. Zornig schrie sie ihn an: »Ich werde es Juda sagen, wenn er heimkommt.«
»Wenn du das tust, bringe ich ihn um«, drohte Aaron. Darauf schlug Schimirit ihn so heftig ins Gesicht, daß er sie losließ. Von Angst gejagt, rannte sie in ihren Teil des Hauses.
Allein saß sie dort zusammengekauert am Herd. Draußen erhob sich der Wind - ein Sturm kam wohl vom Meer und brachte den Winter nach Galilaea. In der Nacht wird es Frost geben, dachte Schimirit, und auf den höheren Bergen Schnee. Die Bauern müssen sich mit dem Pflügen beeilen, und wir in der Stadt ziehen uns warm an, sitzen dicht beieinander um unser kleines Feuer und hören den Wind durch das Wadi pfeifen. Makor, auf seinem Berg gelegen, war den Winterstürmen besonders ausgesetzt; die Pilger aus Europa, die sich Jesus und Mose nur immer in der Gluthitze der Wüste vorgestellt hatten, staunten oft nicht wenig, wenn sie feststellen mußten, daß es in Galilaea genauso kalt sein konnte wie in ihrer Heimat.
Für Schimirit wurde es eine schreckliche Zeit des Alleinseins. Wie gern hatte sie sonst im dunklen Winter bei ihrem Mann gesessen, behütet in der Wärme seiner Arme. Jetzt war sie einsam, jetzt hatte sie Angst, ihre kalten Räume zu verlassen -jeden Augenblick konnte ihr Schwager sie abermals packen. Selbst wenn sie seine Kinder spielen und nach ihr rufen hörte, blieb sie im Haus und betete um eine schnelle Rückkehr ihres Mannes aus Ptolemais. Aber die Stürme hielten ihn in der Hafenstadt fest. So kam der Tag, an dem Aaron zum Angriff überging. Eine merkwürdige Geistesverwirrung gab ihm den Mut dazu. Ganz fest hatte er sich eingeredet, daß Schimirit nach seinen Annäherungen gierte: Sieh sie dir doch an, diese große, wunderbare Frau mit ihren breiten Hüften! Und ich bin der einzige Mann in Makor, der stark genug ist, sie zu befriedigen! Sie ist einsam, was also kann sie sich anderes wünschen, als daß ich zu ihr komme? Ich brauche doch nur in ihr glattes olivenfarbenes Gesicht zu sehen, und schon weiß ich, daß sie sich nach mir sehnt. Wie unruhig ihre Hände zucken, wenn ich bloß in der Nähe bin. Und mit ihren scheuen Blicken fordert sie mich doch absichtlich heraus. Eines Vormittags - Aaron hätte eigentlich bei den Küpen arbeiten sollen - schlich er sich zur Hintertür seiner Werkstatt hinaus, hastete am Rand der Stadt entlang und kam so von hinten in sein Haus. Nachdem er sich vergewissert hatte, daß seine Frau mit den Kindern im Hof zwischen dem Haus und der Basilika beschäftigt war, stürzte er in Schimirits Küche: Plötzlich stand er vor ihr, packte sie, drängte sie gegen die Wand und küßte sie in wilder Leidenschaft. Verzweifelt versuchte sie, ihn zurückzustoßen. Aber mit einer Geschicklichkeit, die wohl das Ergebnis seiner wüsten Tagträume war, preßte er ihr die Arme mit seinem Oberkörper gegen ihre Brüste, hielt mit einer Hand ihren Mund zu und zerrte mit der anderen seine losen Gewänder herunter. Nackt und keuchend stand er vor ihr. Und schon riß er ihr die Kleider vom Leib. Sie stieß mit den Füßen nach ihm - vergeblich. Als sie fast nackt war, zwang er sie zu Boden. Immer noch die grobe, schmutzige Hand auf ihrem Mund, versuchte er sie zu nehmen. Schimirit konnte kaum noch atmen. Sein viehischer Atem, die wilden Stöße seines Körpers - mit aller Kraft wehrte sie sich, trat nach ihm mit den Knien und zerkratzte ihm das Gesicht. Rasend vor Wut über den Schmerz schlug er ihr brutal mit der
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