Die Quelle
Zerfall nicht mehr genau messen können; man muß dann schätzen oder sich einer anderen Methode bedienen, des Kalium-Argon-Tests, der zuverlässige Daten bis zu zwei Millionen Jahre zurück ermöglicht. Cullinane hatte seine Kohlenprobe an zwei Laboratorien unter den mehr als vierzig zur Auswahl stehenden - von Australien bis zur Schweiz - gesandt. Das Resultat des einen konnte dann mit dem des anderen verglichen werden.
Während die Archäologen auf die Antworten warteten, die ihre Datierung der Schicht XIII auf etwa 1400 v. Chr.
bestätigen sollten, rückte die Zeit der Ernte heran. Die Leitung des Kibbuz holte deshalb ihre Leute zurück. Ein kräftiger Helfer nach dem anderen verließ den Tell. Sie gingen höchst ungern; vor allem General Reichs Tochter protestierte, daß sie von der Ausgrabung fortmüsse, denn gerade jetzt kämen doch erst die aufregendsten Funde. Aber die Mädchen wurden gebraucht. Dr. Cullinane versprach ihnen, daß er sie im kommenden Frühling wieder holen werde, und zudem auf Jahre hinaus. Mit Bedauern sah er die Mädchen mit den braungebrannten nackten Beinen sein Zimmer verlassen, um sich zur Ernte zu begeben, an die Arbeit, die jüdische Mädchen schon vor Tausenden von Jahren in Makor verrichtet hatten. »Nette Kinder«, seufzte er. Wenig später schlief aus Mangel an Hilfskräften die Ausgrabung langsam ein. Da teilte Dr. Eliav eines Morgens mit, dank seiner Beziehung zur Jewish Agency sei die schwierige Frage der Arbeitskräfte gelöst. Er habe die Zusage, daß von den Einwanderern, die mit dem nächsten Schiff kämen, vierundzwanzig Juden aus Marokko für die Grabung zur Verfügung ständen. Allerdings setzte er warnend hinzu: »Das sind sicher reichlich ungeschliffene Diamanten. Kein Englisch. Und völlig ungebildet.«
»Wenn sie man nur Arabisch verstehen, dann werde ich schon mit ihnen fertig«, versicherte Tabari. Zwei Tage später stand das Team von Makor im Hafen vor dem großen Schiff, das unentwegt über das Mittelmeer hin- und herfuhr, um jüdische Einwanderer nach Israel zu holen.
»Bevor wir an Bord gehen«, sagte Eliav, »noch ein Wort. Was Sie zu sehen bekommen, sind nicht schmucke junge Leute, wie Sie in Amerika sie als Einwanderer aufnehmen, Cullinane. Es sind arme Teufel, aus den untersten Schichten. Aber in zwei Jahren werden wir erstklassige Staatsbürger aus ihnen gemacht haben.« Cullinane erwiderte, er wisse das. Wenn er freilich geahnt hätte, wie wenig vorbereitet er auf das war, was mit diesem Schiff kam, wäre er auf seinem Tell geblieben und hätte es Tabari überlassen, die neuen Hilfskräfte auszusuchen.
Das Schiff, das an diesem Abend in Akko festmachte, brachte nicht solche Menschen, die jedes Volk gern aufnimmt, es brachte nicht Saubere, nicht Gesunde, nicht Gebildete. Aus Tunesien kam eine armselige vierköpfige Familie, alle unterernährt, alle an Ägyptischer Augenkrankheit leidend. Aus Bulgarien stammten drei alte Frauen, die so schwach waren, daß sie sich nirgends mehr nützlich machen konnten; die Kommunisten hatten ihnen die Auswanderung erlaubt, da sie weder Geld hatten, sich Brot zu kaufen, noch die Kraft, es zu verdienen, noch Zähne, es essen zu können. Aus Frankreich kamen keine Abiturienten oder Doktoren, vor denen Jahre des Schaffens lagen, sondern nur zwei bekümmerte, von ihren Kindern verlassene alte Ehepaare, vor denen nichts lag als leere Tage der Hoffnungslosigkeit. Und von den Küsten Marokkos brachte das Schiff verängstigte, schmutzige, bedauernswerte Juden, ausgestoßen aus den Städten, in denen zahllose Generationen von ihnen gelebt hatten, Analphabeten, viele von Krankheiten gezeichnet und mit teilnahmslosen Augen.
»Großer Gott«, flüsterte Cullinane. »Das sind die Neuen?« Dabei dachte er zunächst nicht einmal an sich selbst, obwohl ihn die Aussicht entsetzte, mit solchen Leuten arbeiten zu müssen. Er sorgte sich um Israel. Wie kann eine Nation mit Menschen wie diesen stark werden? fragte er sich. Es war ein erschütterndes Erlebnis, das ihm ins Herz schnitt: So muß mein Urgroßvater ausgesehen haben, als er halbverhungert aus Irland kam. Aber da dachte er an die abgemagerten Italiener, die nach New York, an die Chinesen, die nach San Francisco geströmt waren, und er empfand ein Gefühl der Verbundenheit mit Israel, das sich bei einem Christen nur langsam entwickelt:
Israel baut seinen Staat mit den gleichen Menschen auf, mit denen Amerika groß geworden ist. Warum aber suchten diese Menschen in Israel eine
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