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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Schülerin ist.« »Ich glaube schon, aber ich möchte Ihr Urteil hören.«
    »Lebt sie hier im Kibbuz?«
    »Wo sonst?« Reich führte ihn zu einer Reihe von Häusern mit Schlafräumen. Dort klopfte er an eine Tür. Eine Mädchenstimme rief auf Hebräisch »Herein«. Als Reich die Tür geöffnet hatte, sah Cullinane ein bildhübsches Mädchen von siebzehn oder achtzehn Jahren. Jungenhaft zeigte er mit dem Finger auf sie: »Sie haben den Bibel-Quiz gewonnen!«
    »Ja.« Sie nickte anmutig und deutete auf vier eiserne Betten, wo sie sitzen konnten.
    Cullinane ließ sich nieder und sagte zu Reich: »Sie brauchen sich nicht zu sorgen, daß die Universität Ihre Tochter nicht nimmt. In der Bibel weiß sie besser Bescheid als die Professoren.«
    »Aber spricht sie gut genug Englisch?«
    Schon nach kurzer Unterhaltung mit dem bezaubernden Mädchen sagte er: »Ziemlich viel Akzent, aber sie kann bestimmt genug, um es zu schaffen.«
    »Ich hoffe es«, meinte Reich. »Ich hätte sie auf das Reali in Haifa schicken können. Sie haben ihr dafür ein Stipendium zugesagt. Aber meiner Ansicht nach war es wichtiger für sie, das Leben im Kibbuz kennenzulernen, wenn auch die Schule hier nicht erstklassig ist.«
    »Es ist eine ausgezeichnete Schule«, protestierte das Mädchen. »In den für das Studium wichtigen Fächern ist sie schlecht«, sagte Reich und schnitt seiner Tochter, die widersprechen wollte, mit einer Handbewegung das Wort ab. »Schlecht. Trotzdem hat sie einiges gelernt.«
    Gerade wollte Reich mit Cullinane über die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Universität sprechen, als die Tür aufflog und ein kräftiger Bursche von etwa achtzehn Jahren hereinstürzte, nur in Shorts und das Gesicht voller Seifenschaum. Er gehörte offenbar in das Zimmer. Nachdem er sich bei General Reich entschuldigt und Cullinane kurz zugenickt hatte, ging er zu einem Spind beim nächsten Bett und suchte seinen Rasierapparat. Als er ihn schließlich gefunden hatte, verschwand er wieder, nicht ohne sich nochmals zu entschuldigen.
    »Ihr Sohn?« fragte Cullinane.
    »Nein«, sagte Reich.
    Cullinane staunte. Ganz offensichtlich wohnte der junge Mann in diesem Zimmer. Und ebenso offensichtlich wohnte auch Reichs Tochter hier. Er blickte auf ihre Hände, sah aber keinen Trauring. Er mußte wohl rot geworden sein, denn plötzlich brach Reich in Lachen aus: »Ach so - der junge Mann!« Auch seine Tochter lachte. Cullinane fühlte betreten, daß es sich hier um etwas handelte, das er nicht verstand.
    »Hier im Kibbuz von Makor«, erklärte Reich, »haben wir gleich zu Anfang beschlossen, daß unsere Kinder außerhalb des elterlichen Zuhause aufwachsen sollen. Wir nehmen je zwei Knaben aus verschiedenen Familien und zwei Mädchen aus anderen Familien und lassen sie schon als Kleinkinder zusammen in einem Raum wohnen. Und sie bleiben beieinander, bis sie achtzehn sind.«
    »Sie meinen.«
    »Ja«, sagte General. »Dieses Bett gehört meiner Tochter, das nächste dem jungen Mann, den Sie soeben gesehen haben. Wo Sie sitzen, schläft ein anderes Mädchen, und dort drüben ein anderer junge.« Cullinane schluckte. »Bis achtzehn!«
    »Das ist das naturgegebene Alter aufzuhören«, sagte Reich. »Mit achtzehn werden alle zur Armee eingezogen. Dort lernen die Jungen und Mädchen andere ihres Alters kennen, und später heiraten sie dann ganz normal.«
    »Sie würden nicht.« Cullinane wußte kaum, wie er sich ausdrücken sollte. »Ich glaube zu wissen, was Sie meinen«, sagte das Mädchen ganz natürlich. »Tatsache ist, daß die
    Mädchen fast nie Jungen aus unserem eigenen Kibbuz heiraten. Wir kennen sie viel zu gut.«
    Cullinane schaute auf die dichtstehenden Betten und sagte: »Vermutlich ja.«
    »Was das andere Problem betrifft, das Sie beunruhigt«, fuhr das Mädchen fort, »kann ich Ihnen folgendes sagen: Ich habe hier in Makor achtzehn Jahre lang gelebt, und in der ganzen Zeit hatten wir nur zwei Schwangerschaften und eine Abtreibung. Als ich in Washington war, hatten wir in unserer Schule zehnmal soviel in einem Jahr - und die Mädchen waren erst vierzehn.« Plötzlich sah Cullinane seine Schwester vor sich, die in einem Vorort von Chicago lebte. Die alberne Gans hatte drei Töchter; mit dreizehn war jede unter ihrer Anleitung zu einer frühreifen Kleopatra geworden, mit Lippenstift, Dauerwellen und einem pickeligen Teenager-Jungen als festem Freund. Und mit sechzehn hatte jede in ihrer Handtasche eine flache Schachtel mit Verhütungsmitteln für

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