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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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den Fall, daß der Freund sie vergaß. Was Teddy Reich und seine Tochter sagten, war gewiß nicht leicht zu verstehen - daß es eine andere Möglichkeit gab, die Kinder großwerden zu lassen, eine, die mindestens so gut war wie die absurden Zustände in Amerika. Sein Gedankengang wurde unterbrochen, denn der junge Mann kam in das Zimmer zurück, sauber rasiert, aber immer noch nur in Shorts. Ziemlich verlegen zog er sich an und lief zu einer Besprechung in der Schule.
    »Sag ihnen, ich komme auch gleich«, rief Reichs Tochter ihm nach. Dann wandte sie sich Cullinane zu und fragte: »Denken Sie, daß ich die Reife für Chicago habe?«
    »Mehr als das«, versicherte er ihr. »Und Sie helfen mir bei meiner Bewerbung?«
    »Aber mit Vergnügen!«
    Das Mädchen ging. Die beiden saßen allein im Zimmer. »Finden Sie es so unglaublich?« fragte Reich. Ohne die
    Antwort des immer noch verdutzten Archäologen abzuwarten, fuhr er fort: »Die Erfolge, die wir mit unserer Art der Erziehung haben, sind auffallend. Keine Jugendkriminalität. Keinerlei. Ein Minimum an sexuellen Abartigkeiten. Natürlich haben auch wir unseren Teil an Ehebruch und allerlei übler Nachrede, aber die Erfolge in der Ehe? Besser als normal. Und wenn die Kinder erwachsen sind, haben sie die ungebrochene Energie, die wir in Israel brauchen.«
    »Aber zusammen leben. bis achtzehn?«
    Reich lachte und sagte:    »Ich kannte eine Menge
    Psychopathen in Amerika, denen es besser ginge, wenn sie in ihrer Jugend so hätten aufwachsen können. Sie wären vor allen möglichen Störungen bewahrt geblieben.« Cullinane fragte sich, ob Reich wohl auch ihn damit gemeint haben könne, einen Mann um die vierzig, der noch nicht verheiratet war. Vielleicht hätte sich bei ihm wirklich alles anders entwickelt, wenn auch er sein Zimmer mit Mädchen auf eine so natürliche Weise geteilt hätte bis ins Alter von achtzehn Jahren. In sein Grübeln hinein sagte Reich: »Wir Kibbuzniks machen nur etwa vier Prozent der gesamten Bevölkerung Israels aus. Trotzdem stellen wir nahezu fünfzig Prozent der Führungsschicht. Auf allen Gebieten. Weil wir mit ehrlichen Idealen aufgewachsen sind. Eine solide Grundlage.« Er rasselte eine Reihe Namen der bekanntesten führenden Persönlichkeiten Israels herunter - alles alte Kibbuzniks. »Und keiner dieser Männer hat irgendwelchen persönlichen Besitz?« fragte Cullinane.
    »Was besitzen denn Sie? Was denn wirklich?« entgegnete Reich. »Ihre Ausbildung. Ihren Charakter. Ihre Familie. Besitzen Sie wirklich noch andere Dinge, oder werden Sie von ihnen besessen?«
    Auf dem Weg zum Haus der Archäologen bekannte Reich dann: »Jahr für Jahr geht der prozentuale Anteil der
    Kibbuzniks an der Gesamtbevölkerung zurück. Die Menschen bringen heute kein Interesse mehr für unsere Ideale auf. Sie wollen nur noch möglichst rasch zu Geld kommen.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Um so schlimmer für Israel.« Er verabschiedete sich. In düsterer Stimmung wanderte er zurück, an den Häusern vorbei, die er, der Einarmige, mitgebaut hatte.
    Es wurde September. Jetzt ging die Ausgrabungsmannschaft an das eigentliche, das große und schwierige Werk: das Aufdecken der tiefsten Schichten. Die Zeit der Kreuzzüge, die Epoche der Glaubenskämpfe, die Tage der Römer und Griechen, die Zeit, in der die Juden ihre gehörnten Altäre gebaut hatten - all die Schichten, die aus diesen Epochen stammten, waren angeschnitten. Nun kamen die Archäologen in die Ablagerungen aus jenen schattenhaft dunklen und doch so fruchtbaren Jahrhunderten, in denen die eigentliche Geschichte gerade begonnen hatte. Endlich arbeitete man auch in beiden Gräben auf der gleichen Stufe. So ergänzten die Funde im einen die aus dem anderen. Scherben von Tongefäßen kamen zum Vorschein, zerbrochen von Frauen, die kein anderes Küchengerät gekannt hatten als irdene Töpfe. Und Speerspitzen aus Feuerstein erinnerten daran, daß die Jäger damals noch kein Metall für ihre Waffen kannten, sondern nichts als Flint mit retuschierter Spitze, befestigt an hölzernem Schaft. Frau Vered Bar-El war jetzt die Wichtigste im Team, denn nur sie vermochte den Tonscherben sofort anzusehen, um den Männern sagen zu können, daß sie eine Kulturschicht durchgraben hatten und nun auf die nächste gestoßen waren. Unfaßbar, wie sie die Stücke identifizierte, von denen manche nicht größer waren als eine Münze. Sie erkannte sie an ihrem Überzug, ihren Verzierungen und an der Art, in der sie

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