Die Quelle
angeblichen Irrtum, seinem oftmals tödlichen Irrtum verharren werde, denn seit den Tagen Abrahams und Moses und Elias hatte der Jude gelernt, daß Gott Einer ist, unteilbar, einzig und unverkennbar. Von der Kanzel aus kam der Mönch endlich zum Schluß seiner Predigt, und jetzt säuselte er mit der sanften Stimme des Gutzuredens: »Auf, ihr Juden, die ihr einst Christen gewesen seid, kehret zurück zur wahren Kirche, solange noch Zeit ist. Schwöret eurem Irrglauben ab. Lasset ab von eurer Verblendung. Lobsingenden Herzens kehret heim zum ungenähten Rock, bei dem ihr Frieden und Milde und Liebe finden werdet.« Er machte eine Pause. Von den Bänken hinter dem Seil starrten ihm steinerne Mienen entgegen. Der Mönch, der diese halsstarrigen Juden sah und ihren Widerwillen spürte, ihm auch nur zuzuhören, versuchte ihnen nun damit zu kommen, daß er sie an ihre besondere Lage erinnerte. »Ihr seid keine gewöhnlichen Juden, Männer und Frauen von Podi«, begann er ruhig, »ihr seid Menschen, denen einst die Gnade der Taufe Christi zuteil wurde. Ihr seid vom rechten Wege abgewichen, und wenn ihr nicht bald zur Herde heimkehrt, wird euch mit Sicherheit Schreckliches ereilen.« Seine Stimme erhob sich zu einer furchtbaren Warnung: »Denn so ihr nicht zur Kirche heimkehrt, werdet ihr in die Keller geschleppt, werdet ihr das Seil, die Rute und das erstickende Wasser kennenlernen. Eure Leiber werden zerbrechen, eure Herzen in Angst zerreißen. Den Frieden, den ich euch heute anbiete, wird es für euch dann nicht mehr geben, und ihr werdet nicht mehr wie heute zu heiterem Spiel, sondern mit einem Feuerbrand in den Händen über die Piazza schreiten. Und dieser Brand wird die Feuer anzünden, die euch verzehren. Unholde, Schwachköpfe, Höllensöhne - bereuet jetzt! Tretet über zur wahren Kirche. Schwöret ab all euren gotteslästerlichen Schriften! Auf, Auf!« Er endete in einem wilden Ausbruch frommen Eiferns. Rabbi Zaki, der die Früchte solchen Eiferns kennengelernt hatte, war zutiefst erschrocken.
Abends, nachdem Rachel abermals geschimpft hatte, daß er so dick sei und sich von der Hure beim Wettrennen die Hose habe herunterziehen lassen, tat Zaki den Mund auf, um ernstlich über das zu reden, was er befürchtete. Doch da begannen schon wieder seine Töchter mit ihrem Lamentieren, er müsse bis zum nächsten Frühjahr abgenommen haben und dürfe sie nicht mehr demütigen. Der so schwer geprüfte Mann hätte am liebsten auf den Tisch geschlagen und geschrien: »Es geht hier nicht um Demütigung! Es geht um unser Leben!«, aber friedlich, wie er war, wartete er, bis seine Frauensleute mit ihren Vorwürfen am Ende waren, die vorzubringen sie -ach, er wußte es! - das Recht hatten, denn sie waren zutiefst gekränkt. Als sie fertig waren, sagte er ruhig: »Der Mönch hat im Ernst gesprochen. Einige wenige Jahre wird man uns noch dulden. Dann werden die Verbrennungen beginnen.«
»Zaki!« keifte seine Frau. »Bist du verrückt?«
»Ich weiß, daß ich die Wahrheit sage. Wir müssen noch diese Woche Italien verlassen.«
»Was meinst du denn damit. Verbrennungen?« fragte Rachel. »Weil du so dick bist, daß du umfällst? Weil der Mönch, wie immer, sein übles Zeug geredet hat? Da bekommst du es plötzlich mit der Angst zu tun?«
»Ich habe verzweifelte Angst. Dieser Mönch hat in seinem Zorn die Wahrheit gesagt!«
»Und wohin sollen wir gehen? Sag mir bloß, wohin?«
Zaki senkte die Stimme, sah sich im Zimmer um und antwortete: »Saloniki. Ein deutscher Jude, der nach Saloniki geflohen ist, hat einen Brief geschrieben, und darin steht, daß der Großtürke.«
»Nach Saloniki!« Rachel begann hysterisch zu lachen und zeigte dabei auf ihre Töchter. »Glaubst du vielleicht, ich will sie mit Türken verheiraten?« Zaki wartete, bis seine Frau sich beruhigt hatte, und sagte dann leise: »Rachel, wir sind in Gefahr. Ich glaube, wir sollten sofort ein Schiff nach Saloniki nehmen.«
Das war zuviel für Rachel. Sie fuhr vom Stuhl auf, stürmte im armseligen Laden ihres Mannes hin und her und schrie: »Hat etwa nicht der Papst selbst uns zugesichert, daß wir, so lange wir wollen, unbehelligt in Italien bleiben können? Bist du ein Feigling, daß du an seinem Versprechen zweifelst?«
»Der jetzige Papst hat es versprochen. Der nächste Papst kann es widerrufen«, entgegnete Zaki vorsichtig.
»Aber er hat uns die Zusicherung gegeben, weil er wußte, daß wir unter Zwang getauft worden sind. Wir waren niemals wahre
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