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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Christen, und weil er ein guter Mensch ist, hat er uns erlaubt, wieder Juden zu sein. Ich will nicht nach Saloniki. Ich denke nicht daran.«
    »Rachel«, sagte der dicke Rabbi mit bittender Stimme, »du fragtest, ob ich ein Feigling bin. Ja, ich bin ein Feigling. Ich habe heute dem Mann da sehr genau zugehört. Er hat geredet wie die Priester in Spanien und Portugal. Er wird nicht ruhen, bis Juden wie du und ich verbrannt sind, Rachel. höre doch!« Aber Rachel wollte nichts hören und erlaubte auch nicht, daß ihre Töchter ihm zuhörten. Zerquält von den schlimmen Ereignissen des Tages ging die Familie des Rabbi zu Bett. Er aber legte sich nicht nieder. Am nächsten Morgen begab er sich nach dem Gebet zum herzoglichen Palast, wo er fünf Stunden wartete, bis ihn der Herzog vorließ. »Hoheit, ich bitte um die allergnädigste Erlaubnis, ein Schiff nach Saloniki nehmen zu dürfen«, sagte Zaki. »Was?« rief der Herzog. »Du willst fort?«
    »Ja.«
    »Aber warum denn?«
    »Ich habe Angst.«
    »Angst wovor? Zaki«, der Herzog lachte amüsiert, »du darfst den gestrigen Spaß nicht so ernst nehmen. Wir haben dir doch nichts Böses antun wollen. Und was das Mädchen betrifft, die dir die Hosen heruntergezogen hat. sie ist vom Kerkermeister dazu angestiftet worden. Die Weiber sind neugierig in solchen Sachen. du weißt es selbst.« Er kicherte über das, was ihm als harmloser Scherz galt. »Zaki, es war nicht ernst gemeint. Du hast keinen Grund, dich zu fürchten.«
    »Aber ich fürchte mich dennoch.«
    »Nun wohl. Im nächsten Jahr wirst du nicht zu rennen brauchen.«
    »Ich fürchte mich wegen der Predigt.«
    »Die Predigt?« Der Herzog lachte. »Die müssen wir halten lassen. Einmal im Jahr. Aber scher dich nicht drum. Ich gebiete in dieser Stadt.«
    »Hoheit, der Mönch sprach im Ernst.«
    »Der Narr? Dieser Pfaffe? Der kann doch nichts anrichten, glaub’s mir.«
    »Hoheit, ich fürchte mich entsetzlich. Laßt mich mit meiner Familie zum Großtürken ziehen.«
    »Nein, bei Gott! Nicht zu den Ungläubigen.«
    »Ich bitte Euch. Böse Tage kommen über uns, dessen bin ich gewiß.« Der Herzog empfand diese Bemerkung als kränkend, denn Seine Heiligkeit Papst Clemens selbst hatte versprochen, daß zwangsgetaufte Juden auf immer unter päpstlichem Schutz stünden und es ihnen freigestellt sei, ihren eigenen Gottesdienst auszuüben. Man rechnete fest damit, daß auch die nächsten Päpste sich an diese Zusage halten würden. Deshalb konnte man Rabbi Zakis Gesuch, Italien verlassen und ins Reich der Türken ziehen zu dürfen, nur als eine Beleidigung der Kirche ansehen. »Du wirst nicht gehen«, sagte der Herzog, und damit war die Audienz beendet.
    Die Frauen zu Hause hatten erraten, wo der Rabbi gewesen war, und schalten ihn wegen seiner Angst. Auch andere Juden stellten sich ein, um ihm zu erklären, er mache sich lächerlich: So eine Furcht sei in Spanien und Portugal verständlich, denn dort gebe es eine Inquisition, die nach Juden fahnde, die sich als Christen ausgäben. Aber in Podi. in Podi liege doch wahrhaftig kein vernünftiger Grund zu Befürchtungen vor. »Wir sind hier in Italien!« betonten sie und verschanzten sich hinter dem, was sich die Juden in solchen Fällen immer wieder einredeten: »Hier kommt so etwas nicht vor. Die Leute hier sind viel zu gebildet.« Aber dieses eine Mal in seinem Leben ließ sich Rabbi Zaki weder von seinen Freunden noch von seiner Familie beeinflussen. Er hatte eine sehr klare Vorstellung von dem, was in Italien entweder nach der Wahl eines neuen Papstes oder durch irgendeine Veränderung in den wirtschaftlichen Verhältnissen zwangsläufig geschehen mußte. »Ich habe Angst«, wiederholte er eigensinnig. »Ich habe gestern die Gesichter der Menschen gesehen. Ich habe Haß gesehen in der Kathedrale.«
    »Jedes Jahr hat er die gleiche Predigt gehalten«, sagte beschwichtigend ein Kaufmann. »Wir können es dir nachfühlen, Rabbi, wenn wir uns vorstellen, daß wir halbnackt hätten rennen müssen. daß die Weiber über uns gelacht hätten.«
    »Aber du brauchst nicht zu rennen, oder?« wütete Rachel. »Weil du nicht fett bist wie ein Schwein.«
    Zaki war entsetzt, daß seine Frau abermals und vor seinen Gemeindemitgliedern das Wort gebraucht hatte. Mit flehender
    Stimme flüsterte er: »Das ist ein Wort, das man einem Rabbi gegenüber nicht gebrauchen sollte.«
    »Aber du frißt doch wie ein Schwein«, schrie sie. Schweigend blickte er zu Boden. Es war bezeichnend für den

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