Die Quelle
keine Papiere mitnehmen, die beweisen, daß Christen ihm etwas schulden. Noch irgendwelche geschriebenen oder gedruckten Bücher, kein in diesem Staat gemünztes Geld, keine Namensliste, die dem Türken dienlich sein könnte, noch irgendwelche Geräte für die christlichen Sakramente. Und am Landungsplatz muß er vor aller Augen hinknien, das Neue Testament küssen und anerkennen, daß es von Gott Selbst gegeben ist.«
Als über die Umstände der Abfahrt Einigung erzielt war, unterschrieb der Herzog von Podi das Dokument. (Jahre später hat man diese Tatsache gegen ihn vorgebracht.) Der Erzbischof unterzeichnete ebenfalls (und auch dies wurde für später vermerkt). Schließlich warf der Dominikaner das
Schriftstück dem Juden hin mit der Verwarnung: »Falls auch nur eine Bestimmung umgangen wird, darfst du nicht fort.«
Aber Zaki hatte seine Genehmigung. Geradezu in einer Art von Entsetzen flüchtete er aus dem Gemach, in dem er vom Herzog und dessen Bruder stets so gerecht behandelt worden war, denn er spürte, daß sich die Gewitterwolken eines Geschehens zusammenballten, dessen ganzes Ausmaß er nur undeutlich ahnte. Als er die Piazza überquerte, um im Hafen mit dem Schiffskapitän wegen der Überfahrt zu sprechen, blieb er vor der Marmorstatue des Condottiere stehen und murmelte ein Gebet: »Möge der Heilige, gelobt sei Er!, der dir erlaubt hat, diese Stadt zu erobern, auch erlauben, daß du sie behältst.«
Endlich näherte er sich seinem Heim. Und jetzt erst begann er zu schwitzen, denn er hatte zwar den Herzog, den Erzbischof, den Mönch und den Schiffskapitän überredet, aber nun mußte er noch seine Frau überreden, und das war das Allerschwerste. In einer Hinsicht jedoch gab es für ihn nicht den leisesten Zweifel: So sehr er sich dessen gewiß war, daß bald schon das Unheil über die Juden von Podi hereinbrechen werde, so entschlossen war er, sein Weib und seine Töchter nicht im Stich zu lassen, falls sie sich weigerten, mit ihm davonzugehen. »Rachel ist manchmal eine schwere Prüfung«, murmelte er vor sich hin. »Aber kein Mann darf sein Weib verlassen. Und außerdem hat sie mir drei wunderschöne Töchter geschenkt.« Um ihretwillen betete er, daß es ihm gelingen möge, sie zur Abreise zu überreden.
Vor seinem Schuhmacherladen zwang er sich zu einer beherzten Miene, und er schaffte es offenbar auch, denn Rachel sah ihm entgegen wie jemandem, der eine endgültige Entscheidung zu verkünden hat. »Ich bin beim Herzog gewesen«, begann er. »So?«
»Und er ist damit einverstanden, uns fortgehen zu lassen.«
»Wohin?«
»Ich bin auch beim Kapitän gewesen, und er ist einverstanden.«
»Wohin?«
»Es gibt kein Zurück, Rachel«, flehte der dicke Rabbi. »Böse Tage stehen dieser Stadt bevor.«
»Wohin?« schrie sie. »Saloniki?«
»Ja«, sagte er tapfer und hob die Arme, um den Angriff abzuwehren, der nun kommen mußte.
Der Angriff kam nicht. Zu Zakis Überraschung setzte Rachel sich hin. Sie atmete schwer, gab keinen Laut von sich und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Nach einer Weile rief sie leise schluchzend ihre Töchter aus dem anderen Zimmer herbei. »Wir gehen nach Saloniki«, verkündete sie schwach, flüsternd wie ein Vulkan, der sich vor seinem eigenen Ausbruch fürchtet. Sara, die Älteste, stöhnte. Und da sprang ihre Mutter vom Stuhl auf. »Ja!« schrie sie. »Euer Vater führt uns nach Saloniki!« Die Jüngste begann zu weinen. Rachel gab ihr eine Ohrfeige. »Wir gehen nach Saloniki«, rief sie unter hysterischem Gekicher. »Und ihr alle werdet Türken heiraten.« Sie sank auf den Stuhl zurück. Auch die beiden älteren Mädchen weinten nun. Wieder fuhr Rachel auf, stürmte durchs Zimmer und schrie: »Wir gehen nach Saloniki, Allmächtiger!« Dann ohrfeigte sie alle drei Mädchen und verkündete schließlich mit ruhiger Stimme: »Wir werden tun, wie euer Vater sagt. Niemand hier wird je auch nur das Geringste gegen seinen Entschluß sagen.«
Sie hielt Wort. Mit rasendem Eifer machte sie sich daran, den Besitz der Familie zu verpacken, aber jedesmal, wenn sie ein Bündel schnürte, kam der Dominikaner, untersuchte es und erinnerte sie daran, daß viele Dinge, die sie mitnehmen wollte, laut Vorschrift und Vertrag der Kirche gehörten. Zuerst fürchtete Zaki, Rachel werde über den Dominikaner herfallen; doch sie übergab ihm geduldig sogar die Spielsachen ihrer
Kinder. Als der Mönch aber seine dritte Prüfung beendet hatte, hatte Rachel genug. »Also gut«, murmelte
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