Die Quelle
kleinen Rabbi, daß er trotz allem, was Rachel ihm antat, nicht im geringsten daran dachte, Podi ohne sein keifendes Weib zu verlassen, obwohl er es leicht hätte tun können: Zwei Männer der Gemeinde waren ohne ihre Angehörigen nach Amsterdam geflohen. Zaki hatte für solch Verhalten keinerlei Verständnis. Er wußte, daß den Juden auch in Italien Verfolgungen bevorstanden - und es war unvorstellbar für ihn, seine Frau, mochte sie noch so zänkisch sein, und seine Töchter, mochten sie noch so unschön und widerborstig sein, den Schrecken auszusetzen.
»Ich ziehe mit meiner Familie nach Saloniki«, erklärte er ruhig, »und wenn ihr vernünftig seid, tut ihr das gleiche.«
Seine Frau war so zornig, daß sie sich rundweg weigerte, darüber auch nur ein Wort zu sprechen, und die Gemeindemitglieder gingen mit einem Gefühl von Enttäuschung, Ratlosigkeit und Angst. Am nächsten Morgen schon aber war Rabbi Zaki wieder zur Audienz beim Herzog, und nachdem er im voraus für jedes möglicherweise den Herrn Herzog, den Papst oder die Kirche kränkende Wort um Vergebung gebeten hatte, ersuchte er abermals um die Erlaubnis, auswandern zu dürfen.
»Gib mir wenigstens einen Grund an«, grollte der Herzog.
Während der Nacht hatte Zaki sich mindestens ein halbes Dutzend guter Gründe ausgeheckt. In einer plötzlichen Eingebung jedoch machte er von keinem Gebrauch, sondern sagte:
»Weil ich drei Töchter habe, Hoheit, und sie als guter Vater mit jüdischen Männern verheiraten möchte, die ich in Saloniki finden kann.«
Der Herzog lachte über diese Begründung - mit allem möglichen hatte er gerechnet, nur nicht damit. »Drei Ehemänner mußt du ausfindig machen, Zaki?«
»Ja«, antwortete der Rabbi, und da er merkte, daß er die Aufmerksamkeit des Herzogs geweckt hatte, fuhr er fort: »Das ist nicht leicht, Hoheit. Auch nur einen einzigen guten Mann zu finden, ist heutzutage nicht leicht.«
»Und du glaubst, in Saloniki.?«
»Ja.«
Der Herzog ließ seinen jüngeren Bruder herbeibitten, dem er den erzbischöflichen Stuhl von Podi beschafft hatte. Sehr liebenswürdig hörte sich der Kirchenfürst Rabbi Zakis Bitte an und versuchte dann nach besten Kräften, die Ängste des Juden zu beschwichtigen. »Der Herzog befiehlt hier allein«, schloß der Erzbischof, »und du solltest wissen, daß er keine gegen seine Juden gerichtete Handlung dulden wird.«
»Ich brauche dich für meinen Handel«, sagte der Herzog.
»Aber ich habe den Mönch sagen hören, daß wir verbrannt werden sollen«, erwiderte Zaki. »Und ich glaube ihm.«
»Dem?« fragte der Erzbischof und lachte wie jemand, der sich einer vergnüglichen Stunde entsinnt. »Du weißt gewiß, Zaki, daß mein Bruder und ich seine alberne Predigt genau so widerwärtig gefunden haben wie du. Sieh so etwas doch lediglich als einen Teil unseres Osterfestes an und kümmere dich weiter nicht darum.«
»Ich kann sie nicht vergessen. Ich habe Angst.«
Der stattliche Erzbischof winkte Zaki ans Fenster. Hier zeigte er auf die Mitte der Piazza, wo sich auf granitenem Postament eine Statue des Herzogs von Podi erhob. Der Bildhauer hatte ihn dargestellt, wie er als Condottiere, hoch zu Roß und das Schwert in der Hand, Podi erobert - die männliche Haltung des Dargestellten gab der Stadt, über die er herrschte, die Aura von Würde und Mut. »Glaubst du wirklich, ein Mann wie der
Herzog gestattet einem Predigermönch oder selbst dem Papst jemals, ihm etwas vorzuschreiben?«
Der Kirchenmann lachte beim Gedanken an eine solche Ungereimtheit. Aber Zaki blieb standhaft und wiederholte, daß er auswandern wolle. Schließlich zuckte der Erzbischof die Achseln. »In Podi halten wir keinen gegen seinen Willen fest«, sagte er in mitleidigem Tonfall. »Aber die Vorschriften für Auswanderer. für die sind die Mönche zuständig.« Und er ließ genau den Mönch rufen, der die Fastenpredigt gehalten hatte.
Der Dominikaner verbeugte sich vor dem Herzog, nahm die Anwesenheit des Erzbischofs gebührend zur Kenntnis und blickte mit Verachtung auf den Juden, der die herzoglichen Gemächer entweihte. »Die Ausreise sollte ihm nicht erlaubt werden«, sagte der Mönch mit salbungsvoller Mahnung. »Er ist ein getaufter Christ, und es wäre schändlich, wenn er zum Türken überginge.«
»Er ist aber dazu entschlossen«, meinte der Erzbischof leichthin. Der Dominikaner bat hierauf um Feder und Papier und begann die Bedingungen niederzuschreiben, unter denen Zaki auswandern durfte: »Er darf
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