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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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sie. Sie grub einen geheimen Vorrat verbotener Goldstücke aus und nähte sie geschickt an den unwahrscheinlichsten Stellen ein. Und damit gelang es ihr, bei der letzten Durchsuchung so viele Münzen hinauszuschmuggeln, daß man vorerst einmal genug Geld für einige Jahre in der Fremde hatte.
    Die Juden Podis kamen zum Pier, um von ihrem furchtsamen Rabbi Abschied zu nehmen. Wie ein herrliches auf dem Kai ausgebreitetes Perlenhalsband, so erschien ihm seine Gemeinde, die er nun verließ, und die Abschiedswünsche trieben ihm die Tränen in die Augen. Glücklicherweise konnte er nicht vernehmen, was geflüstert wurde: »Schaut euch unseren närrischen Rabbi an. Verliert den Kopf, weil eine Hure ihm die Hosen runterzieht.« Aber dann fiel Dunkelheit über Zakis Vision von den Perlen - der Schatten des Todes glitt über die Wellen heran, und der Rabbi sah, was seiner geliebten Gemeinde vorherbestimmt war. Dort stand der dicke Jacopo, der am Wettrennen teilgenommen hatte - er sollte 1556 bei lebendigem Leib verbrannt werden. Neben Jacopo stand Meir, ein lieber Freund - er sollte 1555 bei lebendigem Leib verbrannt werden. Da waren die Schwestern Ruth und Zippora
    - die ältere wurde 1555 bei lebendigem Leib verbrannt, die jüngere starb im Kerker an den Qualen der Folter. Da war der sanfte Josia, der 1556 auf dem Scheiterhaufen sterben mußte, doch wegen seines Schwachsinns entging er dem Flammentod, denn vor seiner Hinrichtung sagte er, ohne zu wissen, was er redete: »Selbstverständlich nehme ich die Bekehrung an«, und der Henker erdrosselte ihn aus Barmherzigkeit, ehe der Brand aufloderte. Die dunkle Wolke war vorübergezogen. Die Juden traten auseinander, denn der Herzog von Podi erschien. »Lebwohl, Zaki«, rief er lächelnd. »Niemand in Podi hat etwas gegen dich gehabt. Du begehst eine große Dummheit.« Eines
    Tages sollte die Stunde kommen, da man diesen hochherzigen Mann wegen der Hilfe, die er seinen Juden in der Zeit ihrer Prüfung leistete, demütigte und aus seinem Herzogtum verjagte.
    Es wäre freilich falsch, wollte man behaupten, daß Zaki an jenem Tag des Jahres 1541 die Ereignisse in den beschatteten Gesichtern seiner Freunde genau vorgezeichnet sah. Aber eines wußte er: daß sich so etwas Grauenhaftes ereignen mußte. Niemandem, nicht einmal seinem verstörten Weib konnte er die Gründe anvertrauen für diese seine Einsicht: »Wenn die Menschen ihre Haßgefühle oft genug aufkommen lassen, dann geschieht das Böse.« Er sah seine lieben Freunde, diese durch ihre Arglosigkeit Verurteilten, und weinte.
    Seine Frau, die sich über dieses neueste Zurschaustellen seiner Feigheit schämte, vergoß keine Träne. Doch als das Schiff ablegte, schrie sie wild: »Wir fahren nach Saloniki!« Während der ersten Tage der ermüdenden Reise verhielten sie und ihre Töchter sich ruhig, als aber muselmanische Seeräuber in Sicht kamen, begann Rachel zu jammern: »Bringst du uns deswegen nach Saloniki?« Und sie veranstaltete ein solches Getue, daß der Kapitän brüllte: »Rabbi, sperr die Frau ein, oder ich lasse die Piraten uns entern.« Zaki ging zu seinem Weib und sagte beschwichtigend: »Rachel, da wir nun Italien entronnen sind, wird uns der Heilige, gelobt sei Er!, nicht in die Sklaverei schicken wollen.« Rachel sah ihn in blankem Staunen an und dachte nicht mehr an die Seeräuber: Was schwatzte da ihr Mann schon wieder für einen Unfug! Sie war so entsetzt, einen derartigen Narren geheiratet zu haben, daß sie ihren Mund hielt.
    Das Schiff entkam zwar den Seeräubern, mußte aber in Nordafrika landen, wo Schuster nicht gebraucht wurden und wo Rachel und die Mädchen deshalb genötigt waren zu
    arbeiten. Und viele Jahre später kam Rabbi Zaki mit den Seinen nach Safed.
    An einem kalten Wintermorgen des Jahres 1540 fanden die Bürger der Stadt Avaro in Mittelspanien auf ihren Türschwellen ein gedrucktes Flugblatt mit dem strikten Befehl, der Heiligen Inquisition jedweden anzuzeigen, der sich öffentlich hatte taufen lassen, insgeheim aber weiterhin seinem jüdischen Glauben anhing. Um den Spitzeln ihre Arbeit zu erleichtern, war eine Reihe sinnreicher Proben angegeben:
    Lege deinem Nachbarn einige Bissen solcher Speisen wie Schweinefleisch, Kaninchen und Aal vor. Falls er sich weigert, sie zu essen, so ist er ein Jude. Beobachte mit großer Sorgfalt alles, was dein Nachbar am Freitag tut. Zieht er ein frisches Hemd an? Zündet er mindestens eine Stunde vor den ehrlichen Leuten seine Kerzen an? Säubert sein

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