Die Quelle
nahm Atalja bei der Hand und übergab sie ihrem Freier. Sobald es schicklicherweise möglich war, nahm der Maultiertreiber seine Braut mit sich fort nach Damaskus, und noch in derselben Nacht führte Rabbi Zaki die Übung ein, die ihn in Safed beliebt und in der ganzen jüdischen Welt bekannt machte. Als die Dämmerung einfiel, ging er zu Bett, denn im Talmud steht geschrieben, daß Männer nach dem Dunkelwerden nicht mehr außer Haus sein sollen. Er konnte jedoch nicht einschlafen. Ein mächtiges Glücksgefühl durchströmte ihn, weil er für eines seiner Mädchen einen Ehemann gefunden hatte. Und als er daran dachte, wie so ganz anders die Juden in Podi, in Portugal und in Spanien an diesem Abend empfinden mußten, drängte es ihn, wieder aufzustehen, sich anzukleiden, auf und ab durch die engen Straßen zu laufen und zu rufen: »Ihr Männer von Safed! Wie könnt ihr ruhig schlafen, da auf der ganzen Welt die Juden unglücklich und im Elend sind? Wißt ihr die Größe des Segens zu schätzen, der auf euch ruht? Ihr Juden von Safed, ihr glücklichen, glücklichen Juden, laßt uns aufstehen, zum Haus des Allmächtigen gehen und unseren Dank darbringen.« Und er holte die Gelehrten und die Ältesten und alle die Männer, die weit mehr Wissen besaßen als er, aus den Häusern und führte sie zur Synagoge. Dort sagte er im Licht einiger Kerzen die triumphalen Kapitel aus dem Fünften Buch Mose auf. Und auf seine einfältige Weise brachte er viele Bürger der Stadt dem HErrn näher, als alle Talmudgelehrten und Mystiker es zu tun vermochten.
An zwei oder drei Abenden jeden Monats überfiel Zaki diese schrankenlose Freude. Dann lärmte er durch die Gassen und rief die Juden auf, Gottes Großmut zu preisen. Und obgleich die Gelehrten erkannten, daß Zaki niemals einen hervorragenden Platz in ihren Schulen einnehmen würde -nicht einmal den eines Schülers, denn er verstand so gut wie nichts von dem, worüber Männer wie der Talmudist Karo oder der Kabbalist Cordovero sprachen -, so wurde er doch, allein dank der reinen Einfalt seines Glaubens, einer der denkwürdigen Rabbinen von Safed. Er hat keine Schriften hinterlassen, aber der Stadt seine mitmenschliche Güte aufgeprägt und solchermaßen ihr religiöses Leben gewandelt. Der Grundton seiner mitternächtlichen Predigten war immer wieder eines: Nächstenliebe. »Gold wächst nicht aus dem Erdreich«, lehrte er. »Es findet sich in der Menschen Arbeit. Und alle die, denen das Gold Gewinn bringt, müssen einen gerechten Anteil davon den Armen zurückgeben.« Er bediente sich einfacher Bilder. »Die Spinnereien des Rabbi Jom Tow«, sagte er, »könnten keinen Tag lang laufen, wenn der Heilige, gelobt sei Er!, die Gebirgsbäche anhielte, die sie speisen.
Wenn wir also von des HErrn Mildtätigkeit leben, sollten wir da nicht das, was Er uns gibt, mit anderen teilen?« Mindestens ein Fünftel seines Einkommens solle ein Mann den Bedürftigen überlassen, verlangte er. »Und wenn er weniger als den Zehnten gibt, darf er sich nicht einen Juden nennen.« Wieder und wieder bat er die ihm Lauschenden, hochherzig zu sein, und in Safed ging die Redensart um: »Rabbi Zaki möchte mehr als alle anderen auf der Welt etwas fortgeben. vor allem seine Töchter.«
Außerhalb der Synagoge entfaltete Rabbi Zaki noch größere Wirksamkeit. Denn von seinem Schusterschemel aus predigte er die schlichten Vorschriften der jüdischen Weisen: »Der große Akiba lehrt uns: >Wer immer seine Pflicht versäumt, die Kranken zu besuchen, macht sich des Blutvergießens schuldig. < Bist du bei Rabbi Paltiels Frau gewesen, seit sie krank geworden ist? Geh gleich, und wenn du zurückkommst, kannst du deine Schuhe mitnehmen.« Sein rundes Gesicht und sein üppiger Bart wurden zum Kennzeichen der Menschenliebe im ganzen jüdischen Teil der Stadt, und auch im arabischen Viertel war er der bestgelittene Jude; denn er bot seinen mohammedanischen Freunden kein religiöses Streitgespräch, sondern Lachen und geflickte Schuhe.
Die jungen Männer meinten angesichts seines steten Frohsinns: »Da seine Tochter Tamar so lange bei ihm ist, kann sie eigentlich gar nicht so schlimm sein, wie sie aussieht.« Und eines Tages kam ein Mann zu ihm in den Laden und sagte etwas zögernd: »Rabbi Zaki, ich überlege mir, ob ich vielleicht deine Tochter heiraten möchte.«
»Sara?« rief er. »Sie ist ein vortreffliches Mädchen.«
»Ich meine Tamar.«
»Auch sie ist ein vortreffliches Mädchen«, sagte der Schumacher
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