Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
begeistert. Doch nachdem die Hochzeit gefeiert worden war, fragte er seinen Schwiegersohn: »Im übrigen. Sara. Kennst du irgendeinen andern Mann.«
    »Nein«, entgegnete der Bräutigam entschieden. Trotzdem trabte Zaki nachts wieder durch die Gassen und rief die Juden auf, ihr irdisches Paradies Safed zu preisen, so daß die Spötter sagten: »Gebt acht! Wenn er schließlich noch die älteste Tochter loswird, haben wir einen Monat lang Mitternachtsgottesdienste.« Doch Safed freute sich der Überschwenglichkeit seines dicken Rabbi, denn alle, selbst die großen Gelehrten, gaben zu, daß von Zeit zu Zeit einer die Menschen an die Freuden des Alltags und den Triumph des achtbaren Lebenswandels erinnern solle. »Und es kann keinen größeren Triumph geben«, bemerkte der trockene Joseph Karo, »als einen Mann für eine Tochter wie Tamar zu finden.« Die Nächstenliebe war das Herzstück der Lehren Rabbi Zakis. Der gedankliche Kern stammte aus einer Stelle bei Maimonides, die Zaki in Safed wieder wirksam machte: »Das Jahr hindurch soll jeder sich für einen ansehen, der halb schuldig ist und halb unschuldig. Die ganze Menschheit sollte er auf diese Art betrachten. Wenn er dann eine weitere Sünde begeht, belastet er die Waagschale der Schuld zu seinen und der ganzen Welt Ungunsten. Und so verursacht er die Vernichtung aller. Doch wenn er ein Gebot befolgt, senkt er die Waagschale des Verdienstes zu seinen Gunsten und rettet vielleicht die ganze Welt. Aus eigener Kraft vermag er allen Menschen auf der Welt Heil und Erlösung zu bringen.« Rabbi Zaki zitierte die Stelle oft und setzte hinzu: »Und heute abend hat in Safed jedermann, gleich ob Araber oder Jude, diese göttliche Gelegenheit. Die Mildherzigkeit, die du morgen übst, du, Muhammed Ikbal, rettet vielleicht die Welt.« Die freundlichen Lehren des kleinen Rabbi machten um so tieferen Eindruck, als sein persönliches Leben so unerfreulich schien. Nachträglich erinnerte sich Rachel an Saloniki - infolge der Austreibung aus
    Spanien die Stadt mit der größten jüdischen Gemeinde der Erde - als an ein Paradies, obgleich sie bei der Ankunft ihren Töchtern versichert hatte, Saloniki sei ein übelriechender Ort, mit jämmerlichen türkischen Beamten, ungastlichen Griechen und unfrommen Juden. Und dieselben Leute in Safed, die mit wachsender Achtung lauschten, wenn ihr bescheidener Rabbi von der Güte des Lebens sprach, hörten, wie die Frau dieses Mannes ihn einen Dummkopf schalt. Doch das schien ihn überhaupt nicht zu berühren.
    Rachels Verdruß war verständlich. Sie redete sich ein, daß Zaki in Saloniki auch für Sara einen Mann gefunden hätte. Doch wenn der Rabbi das unglückliche Mädchen betrachtete, das nun fünfundzwanzig Jahre zählte und dessen Aussehen und Launen sich zusehends verschlechterten, fragte er sich, ob es wohl wirklich möglich gewesen wäre. Er bemitleidete Sara, denn da ihre beiden jüngeren Schwestern nun verheiratet waren, mußte sie sich zurückgesetzt fühlen. Aber leider benahm sie sich so unliebenswürdig, daß Zaki es aufgegeben hatte, mit den jungen Männern, die seine Werkstatt aufsuchten, über sie zu sprechen. Im Jahr 1547 aber keuchte er eines Tages nach Hause mit der aufregenden Nachricht von der Ankunft eines neuen Rabbi: »Ein großer Mann, sehr ansehnlich. Abulafia heißt er. Er ist durch Afrika und Ägypten gewandert. Und er hat kein Weib.«
    Rachel sprang auf. »Sprich sofort mit ihm, Zaki! Du bist schuld daran, daß deine Tochter noch keinen Mann hat.«
    Zaki pflichtete ihrer Behauptung bei. Dieser Tage pflichtete er fast allem bei. Rachel fuhr deshalb fort: »Es ist die Aufgabe eines Vaters, Männer für seine Töchter zu finden, und es wirft ein schlechtes Licht auf dich, Zaki, daß deine älteste Tochter unverheiratet ist. Sieh sie dir an - ein prächtiges Weib.« Zaki sah sie sich an und dachte: Ich wüßte sechs Dinge zu nennen, die das Mädchen tun sollte und die ihr mehr hülfen als alle meine Bemühungen. Trotzdem freute er sich auf ein vertrauliches Gespräch mit dem Fremdling, denn kein Rabbi sollte unbeweibt sein.
    Nicht nur in Zakis Familie erregte Doctor Abulafia Aufsehen. Seine Wanderjahre hatten ihn hager werden lassen; sein Bart war ergraut; er trug einen Turban. Sein ständiges Forschen nach    dem geheimnisvollen Sinn der    menschlichen
    Beziehungen zu Gott hatte seinen Zügen eine von innen her strahlende Schönheit verliehen, die auf Männer wie auf Frauen wirkte. In allem, was er tat,

Weitere Kostenlose Bücher