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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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nennen. Sie leitete sich von der Thora her, der göttlichen Verheißung: »Ich will ihnen Frist geben hundertundzwanzig Jahre.«)
    »Ich versichere dir, daß Sara sich nicht daran stören würde.« Wiederum folgte seinen Worten ein langes Schweigen, das keiner der beiden Männer zu enden wußte. Auf Abulafias Herz aber lag eine schwere Last, und als er das freundliche runde Gesicht seines Freundes ansah, fühlte er sich gedrängt, diesem Mann zu sagen, was er noch keinem anderen gesagt hatte. »Wollen wir zur alten Burg hinaufsteigen?« schlug er vor.
    Die beiden Rabbinen gingen langsam durch die engen Straßen Safeds, diese schönen, windungsreichen Straßen, die nie mehr als dreißig Meter in ein und dieselbe Richtung liefen. Sie kamen vorbei an sieben Synagogen und erreichten schließlich die Trümmer der Burg. Abulafia wies auf die fernen Berge und das Galilaeische Meer.
    »Es ist das Paradies, Zaki. Und du hast recht. Jeder Mann, der hier lebt, sollte eine Frau haben.«
    »Glaube mir, Doctor! Sara wäre genau die Richtige für dich. Sie ist ordentlich, und ihre Mutter hat sie das Kochen gelehrt.«
    »Aber in Spanien.« Abulafia hielt inne. Er hatte Angst, diese entsetzlichen Erinnerungen zu beschwören. Rabbi Zakis tröstliche Gegenwart jedoch gab ihm Mut. Bitter auflachend sagte er: »Zaki, du möchtest eine Tochter loswerden, die dir im Haus geblieben ist, und das ist eine schwierige Sache. Aber ich muß den Teufel loswerden, der meine Seele reitet, und das ist unmöglich.«
    Der kleine Rabbi sah den Kabbalisten betroffen an. »Aber du selbst lehrst uns doch jeden Morgen, wir müßten die Fesseln unserer Seele lösen.«
    »Ja«, sagte Abulafia. »Und die eigene kann ich nicht befreien.« Die beiden Rabbinen schauten auf die weithin gebreitete Schönheit von Obergalilaea. Zur Zeit, als das Land noch bewaldet gewesen war - zu der Zeit etwa, als die großen Rabbinen des dritten und vierten Jahrhunderts in Twerija zusammenkamen -, mußte es noch herrlicher gewesen sein. Abulafia sagte leise: »In Spanien war ich verheiratet. Mit einer Christin, die ich von Herzen liebte. Wir waren unsagbar glücklich. Aber ich habe ihr nicht zu gestehen gewagt, daß ich ein heimlicher Jude war. Zwei Söhne hatten wir. Auch sie wußten nicht, daß ich Jude bin. Als die furchtbarste der Verfolgungen.« Er stockte, stand auf und ging eine Weile hin und her. Unten in der Ebene lag Tabarije. Dort hatte eine Schar frommer Lehrer die Seele des Judentums gerettet. Im Bewußtsein einer ähnlichen Sendung waren Rabbinen gleich ihnen nun in Safed zusammengekommen. Abulafia fragte sich, ob irgendeiner jener großen alten Männer, Rabbi Ascher der Grützenmacher zum Beispiel, die Bürde einer so schrecklichen Sünde wie der seinen getragen habe. Dann wandte er sich ab: Rabbi Zaki wartete. »Der beste Freund, den ich auf Erden hatte«, sprach Abulafia weiter, »ein besserer Freund sogar als mein Weib, war ein heimlicher Jude namens Diego Ximeno. Er hat mich in die Kabbala eingeführt. Alles was ich zu erreichen vermocht habe, verdanke.« Er dachte an Ximeno, der ihn durch die Flammen hindurch anblickte. »Die Inquisition entdeckte ihn. Durch welche Tücke - ich weiß es nicht. Sie rissen ihm die Gelenke auseinander, rissen ihm die Haut aus der Kehle, brannten Löcher in seine Füße. Und am Tag, als sie ihn durch die Straßen schleppten zum Platz, wo er bei lebendigem Leib verbrannt werden sollte, ging er so nahe an mir vorüber.« Sein altes Sündenbewußtsein würgte ihn. »Verbrannt?« fragte Zaki. »Lebendig verbrannt?«
    »Ja. In derselben Nacht beschloß ich aus Spanien zu fliehen, weil Diego Ximeno mich durch seinen Mut beschämt hatte. Im Augenblick seines Todes war er nicht weiter von mir entfernt als du jetzt. Er sah mich an, aber er verriet mich nicht. Ich machte mir falsche Papiere.«
    Abulafias Schüler, die ihn um seine Würde und seine Rednergabe beneideten, wären erstaunt gewesen, hätten sie ihn jetzt hören können. Der sonst so beherrschte Mann war außerstande, Sätze zu formen und seinem Freund ins Gesicht zu blicken. Er saß da, den Kopf in den Händen, und stammelte: »In meiner Ahnungslosigkeit. ich wollte mein Weib verschonen. bedachte ich nicht, daß.« Er stieß Worte hervor, Silben ohne Sinn. »Ich kam nach Tunis. beschnitt mich selbst mit einer alten Schere. schrie zum Fenster hinaus: >Ich bin ein Jude. !<«
    Einen Augenblick lang verlor Abulafia gänzlich die Fassung. Dann beherrschte er sich wieder und zwang sich

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