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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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zweite Ehe, doch sein Fall war kein rein theoretischer Fall mehr. Menschen waren einbezogen - ein einsamer Rabbi, der Gott diente, eine unverheiratete Frau. Der gesunde Menschenverstand verlangte: »Laßt sie heiraten«. Wenngleich nicht überzeugt, das Richtige zu tun, keuchte Zaki den Berg hinan zu Abulafias Haus, blieb im Vorraum stehen und verkündete mit schwankender Stimme: »Die Hochzeit kann stattfinden.« Er machte kehrt, ging den Berg hinab und sprach zu seiner Tochter: »Rabbi Abulafia wird dich heiraten.«
    Am Hochzeitstag witzelten die Juden von Safed: »Da Zaki diese auch noch losgeworden ist, wird er uns die ganze Nacht in der Synagoge jubeln lassen.« Und nach dem Fest gingen sie nach Hause und warteten darauf, ihren dicken Rabbi durch die Gassen rennen und sie herbeirufen zu hören. Aber nichts dergleichen geschah. Mitternacht war vorüber; es war ein Uhr gewesen; schließlich machten sich einige auf zum Schusterladen und riefen: »Rabbi Zaki! Ist keine Feier heute nacht?«
    Er gab ihnen keine Antwort; alles, was sie erzählen konnten, war dies: »Der Dicke stand in einer Ecke und betete. Nicht einmal aufsehen tat er.« Deshalb liefen andere hin und riefen: »Rabbi Zaki, bitte, rufe uns zur Synagoge!« Er aber konnte sich dieser Eheschließung nicht freuen und dem Wunsch nicht nachgeben, deshalb baten sie noch ein drittes Mal: »Wenn wir alle zusammenrufen, kommst du dann?« Und er wollte auch das ablehnen. Aber da trat Rachel aus der Küche. Bisher hatte sie niemals gemerkt, daß die Leute von Safed ihren lächerlichen Mann wirklich gern hatten. Als sie jetzt aber vernahm, wie sie ihn baten zu kommen, erschien ihr die Ehe mit ihm in einem neuen Licht. Auf seine tapsige Weise hatte Zaki für jede seiner Töchter einen guten Ehemann gefunden, und dabei war bestimmt keines ihrer Mädchen - wie Rachel heute nacht selbst zuzugeben bereit war - ein Gewinn gewesen. Zaki hatte keine geringe Leistung vollbracht. Und so sah sie ihn mit Respekt an. Zaghaft legte sie ihm die Hand auf die Schulter und sagte: »Sie möchten feiern, Mann. Und ich möchte auch feiern.«
    »Du kannst nicht auf die Straße gehen«, entgegnete er besorgt. »Ich habe mir in der Küche ein Glas Wein eingegossen.« Zaki konnte nichts dagegen sagen. Sie zog ihn am Arm. »Sie rufen nach dir«, wiederholte sie und öffnete die Tür. Und diese Aufforderung konnte er nicht ablehnen. Als er mit wehem Herzen bei der Synagoge anlangte, sah er einen hageren, bärtigen Fremden an der Mauer stehen und neben ihm ein schönes Mädchen. Die Ankömmlinge waren Rabbi Elieser aus Gretsch und seine Tochter Elischewa.
    Mit diesem deutschen Rabbi, dem letzten der drei, deren Wirken in Safed das Judentum wandeln sollte, kam etwas Neues nach Safed, etwas Nüchternes. Denn Elieser war weder ein schlichter gütiger Mensch wie Zaki noch ein glühender Mystiker wie Abulafia. Er war auch kein ansehnlicher junger Rabbi mehr, der gern tanzte und gutes deutsches Bier trank, denn in den sieben Jahren des Exils war er stark gealtert. Ein strenger Mann war er nun, ausgezehrt von den Feuern der Verfolgung, verbraucht von persönlichem Leid. Ihm war nur die kristallklare Vorstellung geblieben, wie die Juden vor dem Chaos künftiger Zeiten gerettet werden könnten. Und seine unentwegte Arbeit an dieser Aufgabe sollte ihn unsterblich machen.
    In Safed lehrte er nicht, und er baute, anders als viele andere der angesehenen Rabbinen, auch keine Synagoge. Als der begüterte Rabbi Jom Tow ihm anbot, eine für ihn zu errichten, lehnte er ab. Statt dessen sammelte er alle Bücher, deren er in Galilaea habhaft werden konnte, und studierte Tag für Tag, Jahr für Jahr. Jeder durfte ihn um Rat angehen, und mit der
    Zeit kam ganz Safed zu ihm; sogar die Araber kamen, denn er galt als der erste Gesetzeskundige Galilaeas. Die Kabbala zu erforschen lehnte er ab. »Das ist Doctor Abulafias Sache«, sagte er. »Er besitzt die mystische Schau des Sehers; ich nicht.« Und auch mit dem täglichen Gottesdienst, wie ihn Rabbi Zaki ausübte, befaßte er sich nicht, sagte aber von Rabbi Zaki: »Er ist der größte aller Rabbinen. Ich hoffe, künftig wird jede Gemeinde einen haben wie ihn. Ich aber muß mich meinen Büchern widmen.« Die Aufgabe, die Elieser sich selbst gestellt hatte, war die Kodifizierung des jüdischen Gesetzes. In einfachen Sätzen legte er nieder, was ein Jude zu tun hatte, um Jude zu bleiben. Die Thora enthielt sechshundertdreizehn Gesetze, der Talmud viele Tausende, und die

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