Die Quelle
Haus verließ. Als ich frierend und schmutzig von der Reise in die Stadt kam, wurde ich, wie die meisten Fremden, die Safed besuchen, sofort in Rabbi Zakis Schusterwerkstatt geführt. Denn er hat drei Töchter, die mittlerweile aber alle verheiratet sind, und es macht ihm Freude, Fremde zu bewirten. Seine gute Frau Rachel beklagt sich zuzeiten, aber weder Zaki noch seine Gäste schenken dem Beachtung. Bei diesem einfachen Mann Unterkunft zu finden, ist wie ein Leben bei den Weisen der alten Zeiten, und die sieben Tage seiner Woche sind eine Kette von sieben Amuletten, deren jedes seine besondere Bedeutung hat.
Das ganze Jahr hindurch kommt alltäglich eine halbe Stunde vor Beginn der Dämmerung der Diener der Synagoge die Gäßchen hinunter, hält vor unserer Tür an und ruft leise: »Steh auf, Rabbi, und grüße den beginnenden Tag.« Zaki zieht sich an, bringt eine Kerze für mich herbei und verläßt noch in der Dunkelheit sein Haus, um sich anderen Männern anzuschließen, die der Synagoge zustreben. Dort sind Kerzen angezündet worden, und es wird in einer kurzen Freudenfeier
- ausgenommen an Sonntagen, denn dann sind sie nicht freudig - der neue Tag begrüßt. »O HErr!« ruft Rabbi Zaki. »Wir Männer von Safed weihen uns Dir.« Dienstag und Mittwoch widmet Rabbi Zaki sich seiner harten Schusterarbeit, Montag und Donnerstag aber erfreut er sich weiterer Gottesdienste. Er fastet so streng an diesen Tagen - rührt vor Sonnenuntergang weder Wasser noch feste Speise an -, daß ich mich über seine Fettleibigkeit wundere. Manchmal verbringt er den größten Teil des Donnerstags in der Synagoge, liest und dient seinen Juden als Vorbeter. Wie in der ganzen Judenheit ist auch in Safed seit der Zeit des Esra am Montag Markttag, und Zaki liebt es, an den Ständen vorbeizuwandern und seine Freunde zu begrüßen.
Für Rabbi Zaki aber ist der Freitag der wichtigste Tag, ein Tag vielfältiger versteckter Bedeutsamkeiten, wie wir Juden sie lieben. In mehr als einer Hinsicht ist Freitag der schönste Tag der Woche, schöner noch als der Sabbat mit seinen besonderen Obliegenheiten. Am Freitag liegt Rabbi Zaki im Dunkeln wach, hört die flinken Füße und das Pochen an seiner Tür und sagt sich: »Welche Freude! Es ist wieder Freitag!« Er kommt in mein Zimmer, küßt mich und ruft, daß die Kerzen flackern: »Freue dich, Dom Miguel! Es ist Freitag.« Dann nimmt er mich mit zur Synagoge, wo er mit lauter Stimme singt. Nach dem Gottesdienst bleibt er an der Tür stehen, holt tief Atem und spricht vor sich hin: »Dieselbe Sonne. Dieselbe Luft. Und doch ist der Tag in irgendeiner Weise anders.« Den Vormittag verbringt er damit, seine Wochenarbeit abzuschließen, und jedesmal sieht er zu, daß er eine der Jeschiwot besucht, in denen traditionsgemäß an den Freitagen die berühmten Lehrer eine Zusammenfassung der wöchentlichen Disputation geben oder die elementaren Lehrsätze darlegen.
In diesem Bericht habe ich viel über Rabbi Zaki gesprochen, und vielleicht würdet Ihr lieber mehr über Doctor Abulafia oder Elieser bar Zadok lesen. Aber wenn ich Euch erzähle, was Zaki am Freitag vor dem Mittagsmahl tut, werdet Ihr meine Vorliebe für ihn verstehen. Er verläßt die Synagoge, wo die Berühmten noch am Reden sind, geht in seinen Laden und untersucht den Inhalt der Schachtel, in der er sein durch Schuheflicken verdientes Geld aufbewahrt. Diese Woche, Dom Miguel<, sagt er zu mir, können wir ein wenig mehr erübrigen.< Und er nimmt fast die Hälfte seiner Einnahmen aus der Schachtel, steckt die Münzen ein und wandert durch die engen Straßen. Wo immer er einem Armen begegnet oder einer Witwe, die nichts haben, womit sie den Sabbat feiern könnten, erkundigt er sich, wie es dem oder der Betreffenden geht, und legt unterm Reden ein paar Münzen an eine unauffällige Stelle. Aber wenn sie ihr Gespräch beendet haben, sagt er jedesmal: »Schemuel, du bist ein Mann, der sein Unglück mit Würde trägt. Du mußt den Heiligen, gelobt sei Er!, besser kennen als ich. Gib mir deinen Segen an diesem freudevollen Freitag.« Solcherart erweckt er in dem Mann den Eindruck, daß er, der Arme, dem Rabbi etwas Besonderes antut. Und so verfährt er mit seinem Geld.
Wenn er Barmherzigkeit geübt hat, kehrt Rabbi Zaki nach Hause zurück, wo Rachel mittlerweile geputzt und vielerlei gekocht hat; in allen ihren Töpfen brodelt es gleichzeitig. Sorgsam legt Zaki frische Kleider zurecht, von den Strümpfen bis zum Überwurf, geht dann zum
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