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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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verschloß die Tür vor den Besuchern, die wie gewöhnlich gern am Abend des Sabbat mit ihm gesungen hätten, ging in sein Zimmer und betete die ganze Nacht. Am nächsten Morgen wartete er, bis Elischewa den Kindern zu essen gegeben hatte; dann sagte er: »Ich muß mit dir sprechen.«
    Sie lächelte wie ein unbefangenes Mädchen und antwortete: »Sprich.«
    »Wollen wir zur alten Burg hinaufgehen?« Ernst fragte er es, und sie, der seit Tagen vor diesem Augenblick bange war, sagte ja. Sie bat eine alte Frau, auf die Kinder aufzupassen, und folgte ihrem Mann. Über die engen Straßen, die zur Kreuzritterburg führten, stiegen sie hinauf, setzten sich auf die alten Steine und blickten über das wunderbare Land.
    Rabbi Zaki sagte: »Es handelt sich um eine Sache, die dem Willen des HErrn unterliegt.« Seine Frau antwortete: »Ich wußte, daß es so etwas sein muß.«
    »Ich bin nicht gelehrt wie dein Vater, und ich vermag nicht in Geheimes einzudringen wie Doctor Abulafia. Aber vor langer Zeit, als ich noch ein Knabe war und zum erstenmal den Talmud las, fand ich die Botschaft, die mein Leben geleitet hat. Sie stand in den Worten des großen Akiba, der auch ein einfacher Mann gewesen ist, wie ich es bin. Akiba sagt: >Alles im Leben wird gegen ein Pfand gegeben, und ein Netz ist über alle Lebenden geworfen. Der Laden ist offen, der Krämer gibt auf Borg, das Hauptbuch liegt aufgeschlagen vor dir, die Hand schreibt, und wer immer borgen will, mag kommen und borgen. Aber die Geldeinzieher machen beständig ihre Runden und fordern Zahlung von jedem Menschen, ob er einwilligt oder nicht.<«
    Schweigen herrschte. Elischewa kannte dieses größte Wort Akibas schon lange. Sie wußte, daß alle Menschen unter einem Netz leben, das ihrer Betriebsamkeit Grenzen setzt, und sie wußte auch, daß die Geldeinzieher jeden Tag umhergehen und die Zahlungen jener eintreiben, die auf das Pfand der Zukunft geborgt haben. Dieses Wort Rabbi Akibas war Ausdruck der grundlegenden Sittenlehre des Judentums, und Elischewa stand zu ihm. Sie fragte sich nur, was ihr Mann auf dem Herzen habe.
    »Seit Monaten«, sagte er,»fühle ich mich von der Zahl 301 gerufen. Und vor kurzem ist sie auf deiner Stirn und den Stirnen unserer Kinder erschienen.« Er zitterte und schrak zurück. »Sie ist auch jetzt dort, Elischewa.«
    »Was bedeutet sie?« fragte sie leise. »Feuer«, sagte er.
    Sie blickte den dicken kleinen Heiligen an, mit dem ihr ein so stilles, tiefes Glück vergönnt gewesen war. Langsam erfaßte sie die Bedeutung seiner Vision - und da verwarf sie Akibas großes Wort. »Nein!« schrie sie in schrecklicher Angst. »Zaki, nein! Nein!«
    »Sie bedeutet Feuer«, wiederholte er dumpf.
    Einige Stunden saßen sie still zwischen den Trümmern der Kreuzritterburg, ein alter Mann und eine schöne junge Frau, und beide mußten sie die Tatsache hinnehmen, daß es kein Entrinnen gab, keine Wahl. Endlich wandte Elischewa sich in unsäglicher Pein zu ihrem Mann und sagte: »Wenn du gehen mußt, so möge der Allmächtige dich stärken, auf daß Sein Name geheiligt werde.«
    »Ich muß«, sagte er. Geistern gleich, die über Unwirkliches dahinziehen, so gingen sie den Berg hinab.
    Elischewa benachrichtigte die anderen Rabbinen. Eilig kamen sie zum Haus des Schuhmachers. »Liegt Zaki im Sterben?« fragten die Nachbarn, als sie den Auflauf sahen.
    Der kleine Schuster, nun sechzig Jahre alt und mit weiß gewordenem Bart, saß ernst auf seinem Schemel, als die führenden Männer der Stadt sich um ihn scharten. »Mein ganzes Leben lang habe ich mich gefragt, warum ich so dick bin«, sagte er. »Rachel zuliebe versuchte ich weniger zu essen, aber Gott hat mich dick bleiben lassen. Es ist mit Absicht geschehen. Damit ich, wenn ich zur Ehre Seines Heiligen Namens auf dem Scheiterhaufen stehe, ein Feuer sei, das lange brennt.« Und nun zeigte sich Safeds geistige Einheit. Der aus seinen juristischen Studien gerissene Rabbi Elieser warf seinen Amtsbrüdern nicht vor, daß solche Ichbezogenheit das Endergebnis der Kabbalistik sei; er sagte auch nicht, freiwilliges Märtyrertum sei Überheblichkeit und werde vom Gesetz nicht gebilligt. Er fragte nur: »Zaki, mein lieber Schwiegersohn, hat der Heilige, gelobt sei Er!, dich angewiesen, das zu tun, oder ist es nur eigene Eitelkeit?«
    Und Doctor Abulafia, dessen Aufforderungen, die Kabbala zu studieren, für die feurige Botschaft verantwortlich sein mochte, fühlte sich tief betroffen durch Zakis Entschlossenheit, dafür

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