Die Quelle
Menschen erschaffen hat - welches erste große Gebot erteilte Er ihm da?« Jom Tow wartete einen Augenblick, dann zitierte er in mächtigem Tonfall: »>Und Gott schuf den Menschen Ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes schuf Er ihn; und schuf sie, einen Mann und eine Frau. Und Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch!<«
Anfangs weigerte sich Zaki, den anderen Rabbinen Gehör zu schenken. Bei der dritten Zusammenkunft aber traf ihn die
ganze Gewalt dieses ersten göttlichen Gebots. Jom Tow nämlich sagte: »Für Seine ersten Worte an das
Menschengeschlecht hätte der Heilige, gelobt sei Er!, jedes Seiner Gebote wählen können, aber Er wählte das einfachste von allen. Ein Mann muß ein Weib finden, sie müssen sich aneinander erfreuen, und sie müssen sich vermehren. Der HErr sprach später noch viele andere Dinge zu Seinen halsstarrigen Juden, und wir haben uns fast jedesmal gegen Ihn empört. Bei diesem Gebot aber hat immer Übereinstimmung geherrscht.«
»Darum, Zaki, mußt du dir eine Frau suchen«, sagte ein anderer Rabbi. Und der feiste kleine Mann ergab sich: »Ich werde mich unter den Witwen in Safed umsehen.«
Aber da kam Rabbi Elieser in seine Werkstatt und sagte: »Zaki, meine Tochter Elischewa möchte sich mit dir vermählen.« Es war, als treffe ein einziger Blitzstrahl ein einziges Haus in der ganzen Stadt, und dieses Haus war Zakis Haus. »Aber ich bin siebenundfünfzig bis hundertzwanzig, und sie ist dreiundzwanzig.«
»Woher kennst du ihr Alter?«
»Weil ich vom Tag ihrer Ankunft in Safed an auf alles geachtet habe, was sie tat.«
»Warum bist du dann überrascht?« fragte der deutsche Rabbi. »Aber ein Dutzend junger Männer haben auf dem Schemel da gesessen und mich gebeten: >Rede du mit Rabbi Elieser, damit ich seine Tochter bekommen kann.< Das weißt du ja selbst. ich bin mehrmals bei dir gewesen.«
»Und warum, glaubst du, hat Elischewa mich jedesmal gebeten, nein zu sagen?« Rabbi Zaki hätte gern geglaubt, was seine Ohren vernahmen, aber er fürchtete sich. Er sah vor sich nicht Rabbi Elieser sondern - im Geist - seine eigene Tochter Sara. Sie gab sich keinerlei Mühe, ihre Enttäuschung über ihren höflichen Spanier zu verbergen, der den anderen Frauen in Safed so anziehend erschien: im Gegenteil - sie beklagte sich. Zaki meinte listig, die Enttäuschung seiner Tochter müsse von einer jahrhundertealten Schwierigkeit herstammen, die schon im Talmud mit entwaffnender Offenheit behandelt war: »Die Thora verhängt folgende ehelichen Pflichten über die verheirateten Männer: die Unbeschäftigten jeden Tag; die Arbeiter zweimal in der Woche; einmal wöchentlich die Eselstreiber, die mit den Karawanen nur kurze Strecken zurücklegen; einmal im Monat die Kameltreiber, die Karawanen auf längere Reisen führen; und einmal alle sechs Monate die Matrosen; aber die Schüler der Gelehrten, welche die Thora studieren, dürfen ihren Frauen dreißig Tage fernbleiben.« Rabbi Zaki dachte: Doctor Abulafia ist ein älterer Mann, Sechsundsechzig bis hundertzwanzig, und ich bin auch ein alter Mann. Wenn er in Schwierigkeiten geraten ist, kann mir das gleiche geschehen. Mit bezwingender Ehrlichkeit bekannte der dicke Rabbi: »Elieser, ich fürchte mich davor, deine Tochter zu heiraten.«
Voller Mitgefühl antwortete der Deutsche: »Gewiß weiß meine Tochter um deine Befürchtungen. Aber sie glaubt, daß in diesen Dingen der Allmächtige uns leitet. Sie ist bereit, das Wagnis auf sich zu nehmen. Sie möchte dich heiraten.« Dreimal setzte Rabbi Zaki an, dreimal brachte er kein Wort hervor. Elieser sagte darum schließlich: »Kleiner Zaki, du bist ein Heiliger. Und die Frauen sind geschickter als wir Männer, einen Heiligen zu erkennen.« So wurde die Hochzeit in der deutschen Synagoge abgehalten.
Nun herrschte der Himmel auf Erden. Rabbi Zaki, der so vielen Männern die Ehe gepredigt hatte, entdeckte, daß er den Sinn des Wortes nie recht verstanden hatte, denn jene Gemeinsamkeiten, die mit der nörgelnden Rachel eine Pflicht gewesen waren, wurden mit der hochgewachsenen, zärtlichen Elischewa zu einer alle Träume übertreffenden Wonne. Da er ein einfacher Mann war und nicht wie Doctor Abulafia, geistige Kämpfe auszufechten hatte, bereitete es Rabbi Zaki keine Schwierigkeit, seine vom Talmud bemessene Quote zu erfüllen und sogar zu überschreiten. Nur einer Schwierigkeit begegnete er: In der überschäumenden Freude seiner neuen Ehe sagte er eines Freitag nachmittags,
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