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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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gegeben hätte, ihr ein besserer Ehemann zu sein. Und schwerer noch bedrückte ihn, daß er durch seine Flucht die ihm anvertraute Gemeinde dem Scheiterhaufen überlassen hatte, ebenso gewiß wie Abulafia die Seinen der Folter. Einige Monate lang brachten Zakis Selbstbezichtigungen ihn fast um den Verstand, und weder in der Thora noch im Talmud vermochte er Trost zu finden. Er versuchte seinen Kummer Rabbi Elieser mitzuteilen, der, aus Gretsch fliehend, das gleiche getan hatte wie Zaki. Aber den strengen Deutschen beschäftigte das Gesetz so ausschließlich, daß er keine Zeit hatte, Beistand zu leisten. Noch half das Gesetz selbst. Es legte fest, was ein Mann tun mußte, wenn er die Toten betrauert, aber nicht, was zu tun war, wenn diese Toten ihm wie eine Kette am Halse hingen, in ewigem Feuer brennend, so daß der Rauch ihm den Blick trübte. In seiner äußersten Not fand er Hilfe, wo er sie nicht erwartet hatte. Doctor Abulafia kam zu ihm in den Schusterladen und sagte: »Zaki, Schwiegervater und Freund, es ist an der Zeit, daß du in deiner Verwirrung die Kabbala studierst.« Und in einfachen Worten erklärte der fromme Spanier ihm einige Begriffe der Mystik, die durch gelehrte Juden in den vergangenen Jahren vervollkommnet worden waren. »Der Mystiker erfaßt mit dem Herzen, was sein Verstand als Wahrheit anerkennt. jedoch nicht beweisen kann«, begann Abulafia. »Wir wissen, daß vor der Schöpfung der Heilige, gelobt sei Er!, allem Seienden innegewohnt haben muß. Ohne Ihn könnte nichts sein. Wenn aber ein Allbarmherziger Allmächtiger allen Dingen innewohnt und alles verursacht, wie können wir dann Geschehnisse wie die Verbrennungen in Podi verstehen? Weil der HErr, bevor Er die Welt erschuf, Sich willentlich zurückzog, um der sichtbaren Körperwelt Raum zu geben. Damit wir aber Seiner Gegenwart gedächten, ließ Er uns die zehn Gefäße da, von denen du mich oft hast reden hören. In diese zehn Gefäße ergoß Er Sein göttliches Licht, damit Seine Gegenwart unter uns sei. Doch nachdem die ersten drei Gefäße ihren Anteil am Licht aufgenommen und für uns bewahrt hatten, wurden die sieben niedrigeren von einer solchen Flut des Glanzes getroffen, daß sie diese nicht halten konnten. Die Gefäße zerbrachen. So kamen Verwirrung und Leid in die Welt. Heute stehen wir, du und ich, unter den zerbrochenen Gefäßen und der Erinnerung an unseren Verrat in Podi und Avaro. Die Sünde liegt schwer auf uns, und es wird uns daher zur Pflicht, durch Hingabe, Gebet und übermenschliche Anstrengung die zerstörten Gefäße wiederherzustellen. Auf daß Gottes Licht in den ihm zubestimmten Gefäßen sein kann. Zaki, du mußt allen Männern guten Willens bei der Aufgabe helfen, die zerbrochenen Stücke zu sammeln und die Gefäße wiederherzustellen.«
    Endlich verstand Rabbi Zaki, was sein Schwiegersohn seit der Ankunft in Safed gelehrt hatte. Es gab ein Übel in der Welt, das zu bekämpfen Gott ohne Mitwirkung der Menschen machtlos war. Den Menschen war eine mystische Partnerschaft angeboten - eine überwältigende Vorstellung, überwältigend auch durch ihre Macht, das Beste wachzurufen. Wie Tausende anderer Juden, die zu jener Zeit in die Geheimnisse des Sohar eindrangen, entdeckte Zaki, daß er nicht der Mann war, im Aufsagen des Talmud oder in unfruchtbaren Gesetzestexten geistigen Trost zu finden. Nur durch die Kabbala vermochte er jene mystische Tröstung zu empfangen.
    »Was muß ich tun, um die zerbrochenen Gefäße wiederherstellen zu helfen?« fragte Zaki wie in einer geistigen Betäubung.
    »Das kann dir kein Mensch sagen«, antwortete Abulafia. »Betrachte und bete, und Er wird dich rufen, wenn Er dich braucht.«
    So begann Rabbi Zaki, sich um Sammlung zu bemühen, fand dies Bemühen aber schwer; gewöhnlich schlief er darüber ein. Auch zählte er nicht zu jener Art Männer, mit denen der HErr sprach. Er kehrte daher zu dem einfachen Tun zurück, auf das er sich am besten verstand: Er betete für die Juden von Podi. Und dann plötzlich tat sich ihm die Welt in höchstem mystischem Glanze auf. An einem Novembertag begann es. Die Ältesten der Juden von Safed kamen zu ihm, und Rabbi Jom Tow, barsch wie immer, sagte: »Zaki, es ziemt sich nicht für dich, unverheiratet zu bleiben.« Zaki entgegnete, daß er nun doch schon siebenundfünfzig Jahre bis hundertundzwanzig alt sei und daß sein Leben mit Rachel. »Das ist keine Entschuldigung«, unterbrach ihn Jom Tow. »Als der Heilige, gelobt sei Er!, den

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