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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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herauspressen. Gewiß: Tabari schiebt den Mutasarrif in Akka und den Wali in Beirut als willkommenen Vorwand vor, zusätzlich Bakschisch herauszuschlagen. Was ich aber einfach nicht verstehen kann: Diesem Mann fehlt doch jegliche, aber auch jegliche moralische Grundlage für das, was er tut.
    Dabei mußte Schemuel zugeben, daß der Kaimakam Tabari eigentlich kein schlechter Kerl war. Wer wollte ihn hindern, die Juden gegen die Araber und die Christen gegen beide auszuspielen und es so zu üblen Auseinandersetzungen innerhalb der Stadt kommen zu lassen, wie es die russischen Beamten taten? Tabari lehnte so etwas ab. Er verfuhr mit allen Bekenntnisgemeinschaften seines Amtsbereiches in der gleichen korrupten Art und sorgte so wenigstens für friedliche Zustände und dafür, daß man sich nicht auch noch um Glaubensdinge sorgen mußte. Hakohen wußte nach dem, was er in Rußland erlebt hatte, einen solchen Frieden durchaus zu schätzen. Aber in seinem Geburtsland hatte Hakohen gelernt, mit Menschen umgehen zu müssen, die entweder gut oder schlecht waren, und bei solchen Leuten wußte man, woran man war. Aber mit Kaimakam Tabari war alles viel schwieriger, denn der Mann konnte sich niemals dazu aufraffen, ehrlich zu sagen, was nun los war. Selbst nachdem Hakohen ihn mit vielen Pfunden bestochen hatte, konnte man nichts, aber auch nichts als wirklich erledigt ansehen, denn schon der nächste, der dem Kaimakam einige Pfunde mehr brachte, war in der Lage, ihn sich nach der anderen Seite hin zu verpflichten. Durch einen solchen Mann Grund und Boden erwerben zu müssen, das war niederschmetternd bis zur Verzweiflung, und diesen Punkt hatte Schemuel Hakohen nun erreicht.
    In dem dampfenden, schmutzstarrenden Raum, der nicht einmal für Schafe oder Ziegen gut genug war, zog sich jetzt der zähe kleine Jude seine europäische Kleidung an, zwängte seine Füße in die heißen Lederschuhe und bereitete sich auf einen neuen Kampf mit dem aalglatten, ewig lächelnden Kaimakam vor. Aber heute mußte etwas geschehen. Hakohen war entschlossen, das Land zu bekommen. Er mußte den
    Grund und Boden erhalten, für den er gutes Geld gezahlt hatte, oder.
    Er beendete seinen Satz nicht, denn er wußte trotz all seiner Angst nur zu gut, daß er nichts in Händen hatte, womit er diesem sich so freundlich gebenden Beamten zu drohen vermochte. Ein Jude konnte sich weder in Akka beschweren, noch konnte er nach Beirut gehen. Nur mit dem Kaimakam Tabari konnte er verhandeln. Als Jude konnte er auch nicht, wie etwa ein Franzose, seinen Konsul oder Botschafter um Hilfe angehen - weil er als Jude eben keinen Konsul oder Botschafter besaß. Alles, was Schemuel Hakohen tun konnte, war dies: Noch mehr Bakschisch an Tabari zahlen, und noch mehr, und abermals mehr. Folglich kniete Hakohen an diesem Tage letzter Verzweiflung am Kopfende seiner Matratze im Staub und wühlte unter einigen Backsteinen sein letztes, sorgfältig verstecktes Geld hervor. Er hatte noch fast eintausend englische Pfund, sein letztes Geld aus Rußland. Es mußte genug sein, das Geschäft endgültig zum Abschluß zu bringen. Er bürstete seine Hosen ab und wollte gerade zur Tür gehen, als er noch einmal stehenblieb und lange überlegte. Dann hatte er seinen Entschluß gefaßt: Am Fußende seiner Liegestatt grub er im Lehmboden, bis er eine wunderbar glänzende Goldmünze zum Vorschein brachte. Er betrachtete sie liebevoll und mit Bedauern zugleich. Aber an diesem Tag der Abrechnung mußte nun selbst diese Münze - seine eigene Münze! - herhalten.
    Er hatte dieses schöne alte Goldstück auf einem seiner ersten Erkundungsgänge am Südufer des Bahr Tabarije gefunden. Irgendwo war er stehengeblieben und hatte mit dem Fuß eine Erdscholle beiseite geschoben, um zu sehen, ob der Boden gut war. Als er unter ihr dunkle, fruchtbare Erde entdeckte, Erde, die ausgezeichnete Ernten hervorbringen konnte, wenn sie nur richtig bestellt wurde, hatte er mit seinem Stock weitergegraben, als gehöre das Land schon ihm. Und plötzlich war diese alte Münze mit den arabischen Schriftzeichen zum Vorschein gekommen. Sie hat auf mich gewartet, hatte Schemuel sich gesagt.
    Es war Schemuels Absicht gewesen, sich für diese Glücksmünze sein eigenes Haus in der neuen Siedlung zu kaufen; allen Versuchungen hatte er widerstanden, sie anderweitig zu verschwenden. Aber nun blieb ihm nichts anderes übrig: Er mußte Grund und Boden für seine Juden haben, und wenn diese Goldmünze ihm dazu verhelfen konnte,

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