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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Beamten herumquälen mußte und von der jüdischen Gemeinde ausgestoßen war, wenn er nicht im Frühling 1878 eine Wallfahrt nach Jerusalem unternommen hätte. Gewiß - der Anblick der »hochgebauten Stadt« auf dem Berge Zion bewegte sein jüdisches Herz, und beim Gebet an den mächtigen Steinblöcken der Klagemauer, des letzten Überrestes von Salomos Tempel, gedachte er auch des Rebbe von Wodsch. Aber nicht dieses religiöse Erlebnis war es, das ihm neue Kraft gab. Wichtiger als die Begegnung mit der Vergangenheit seines Volkes wurde ihm in Jerusalem eine andere: Er lernte junge Glaubensgenossen aus Rußland und Polen kennen, die fest davon überzeugt waren, daß die Juden eines Tages das Land ihrer Väter zurückerhalten würden. Er traf andere, die voraussagten, daß die Juden Israels einst nicht mehr Jiddisch sprechen würden, sondern Hebräisch, »wie die Propheten vor dreitausend Jahren zu uns gesprochen haben.« Er kam mit Handwerkern und Geschäftsleuten zusammen, die mit dem Bau von Werkstätten und Fabriken begonnen hatten, und er begegnete anderen, die außerhalb der Mauern Häuser errichteten. An einem Abend, an den er sich noch lange erinnerte, lernte er sechs Juden kennen, die in der Nähe von Jaffa ein jüdisches Dorf gegründet hatten.
    »>Tor der Hoffnung< nennen wir es«, erzählten sie ihm begeistert. »Es wird das erste von vielen sein.« Einer der Männer wandte sich an Schemuel: »Du? Aus Tabarije? Fängst du dort auch an, Dörfer zu gründen?«
    Diese Männer ließen ihn an die jungen Juden denken, die er in Kiew gesprochen hatte - die das dem Untergang geweihte Russische Reich in einer sozialistischen Revolution neu
    aufbauen wollten. Er erinnerte sich auch an den Dichter in Berditschew, der von der altneuen Heimat der Juden in Erez Israel geträumt hatte. Hier aber, in Jerusalem, spürte Schemuel die Energie, die diese Juden nach Palästina mitgebracht hatten. Und so antwortete er mit neugewonnener Kraft: »Wenn ich nach Tabarije zurückkehre, kaufe ich Land. Nicht weit vom See Genezareth. Wir bauen dort ein Dorf. Kefar Kerem.« Gestärkt in seinem Glauben, daß er es schaffen werde, kehrte er heim zu seiner armseligen Hütte. Im Sommer des Jahres 1878 übernahm Faradsch Tabari sein Amt. Als Schemuel ihm von der Betrügerei seines Vorgängers berichtete, wie dieser Bakschisch eingestrichen hatte, ohne auch nur einen Federstrich getan zu haben, lachte der Beamte herzlich und versprach:    »Mit meiner Hilfe werdet Ihr das Land
    bekommen.« Mit diesen honigsüßen Worten Tabaris begann eine erst recht qualvolle Zeit in Hakohens Lebens. Da wurde gelogen, da wurde auf die lange Bank geschoben, da waren immer neue Ausflüchte an der Tagesordnung. Währenddessen waren die Juden von Wodsch zu dem Schluß gekommen, daß Kagan mit ihrem Geld auf und davon gegangen sei. Schon schmiedeten sie Pläne, sich in Scharen nach Akka aufzumachen. Verzweifelt ging Hakohen zum Kaimakam und fragte: »Wann kann ich das Land bekommen?« Aber Tabari strich sich nur den Schnurrbart und sagte: »Hmm. in einer so ernsten Angelegenheit wie dieser spreche ich besser erst mit dem Mutasarrif in Akka.« Schemuel entnahm diesen Worten, daß er abermals zu zahlen hatte. Noch mehr kostete es, als auch der Wali in Beirut bemüht werden mußte. Und eine Eingabe an den Sultan in Istanbul war schließlich ebenso unumgänglich wie nahezu unerschwinglich.
    Ende 1879 beschäftigte, so unwahrscheinlich es klingen mag, dieser kleine Jude Schemuel Hakohen aus Wodsch auf diese oder jene Weise sieben verschiedene Beamte des Türkischen
    Reiches. Aber das Land gehörte noch immer nicht ihm. Immerhin - durch unablässiges Drängen und durch Bestechungsgelder, von denen er schon gar nicht mehr genau wußte, wie hoch die Summen gewesen waren, hatte Schemuel wenigstens eines erreicht: Der hochmögende Emir Tewfik war gewillt, die brachliegenden Felder für die unerhörte Summe von neunhundertundachtzig englische Pfund zu verkaufen. Aber das Bakschisch, das Hakohen allein für dieses Einverständnis hatte zahlen müssen, belief sich bereits auf mehr als siebzehnhundert Pfund.
    Und immer noch war von der Regierung der Hohen Pforte keine Entscheidung getroffen worden!
    Trotzdem verlor Hakohen nicht den Glauben an den Kaimakam Tabari. Denn der sonst so diebische Araber hatte dem russischen Juden auf seltsame Weise seine Freundschaft bewiesen. Eines Abends - Schemuel saß verzweifelt in seinem schmutzigen Zimmer und fragte sich, ob er Tabarije

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