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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Sprengtrupp war nun nur noch er allein übrig. Er weinte.
    Einige Minuten nach vier. Jetzt war Teddy Reich der Verzweiflung nahe. Wenn das Dämmerlicht die Straßen erhellte, konnten die Araber in der Polizeistation - ganz zu schweigen von denen in diesem entsetzlichen Fort auf dem Berg - die Juden mit Leichtigkeit abschießen. »Alle, los!« schrie Reich. »Wir müssen das verdammte Ding kriegen.«
    Isidor Gottesmann spürte, wie seine Nerven versagen wollten, und Ilana wußte, daß ihr Mann am Ende seiner Kräfte war. Am liebsten wären sie beide in das jüdische Viertel zurückgegangen. Aber sie taten es nicht. »Komm«, sagte Ilana bittend zu ihrem Mann. Und er, der den Angriff auf dem Berg und bei dem Steinhaus geführt hatte, biß sich auf die Wangen und stürmte mit dem nächsten Trupp gegen die Betonmauer. Umsonst. Teddy Reich mußte seine Männer zurückziehen.
    Es dämmerte. Jetzt hatten die Juden mit einem massiven Gegenstoß der Araber zu rechnen. Teddy Reich stand entmutigt oben an der Treppe. Und da begann er plötzlich hysterisch zu lachen. Andere liefen zu ihm und lachten ebenfalls wie die Idioten: Auf halber Höhe der Treppe sahen sie im milden grauen Morgenlicht eine alte jüdische Frau mit einem Schal über dem Kopf aus dem Araberviertel kommen. Sie schleppte eine Nähmaschine. »Sie sind alle weg«, rief sie heiser. »Sie sind was?« schrie Teddy.
    »Sie sind nicht mehr da«, rief sie und verschwand mit ihrem Schatz. Vier Palmachniks rannten die Treppe hinunter, fünf, sechs Stufen mit einem Satz nehmend. Das Gewehr im Anschlag, jagten sie in das Araberviertel. Jetzt schossen sie, aber in die Luft. »Seht nach, was los ist!« brüllte Teddy. Aber es war nicht nötig. Von den Bergruinen rief Bar-El: »Sie haben alle Stellungen geräumt!« Und vom Steinhaus her kamen andere Juden gelaufen und berichteten, alles sei leer, das Kurdenviertel, die Stellungen auf dem Berg, alles.
    Nicht allerdings die Schlüsselstellung: Aus der Polizeistation wurde nach wie vor ununterbrochen geschossen, so daß die Juden unterhalb der Treppe in Deckung gehen mußten. Teddy Reich sah Bagdadi grimmig an und fragte: »Fertig?« Der dicke Iraker nickte. Mit schnellen Handbewegungen wies Reich seine Leute ein: Sie stürmten gegen die Seiten des Gebäudes, während er und Bagdadi im Zickzack zur Vorderfront liefen und dort eine große Sprengladung anbrachten. Sofort zogen sie sich hinter eine Ecke zurück. Die arabischen Kugeln pfiffen an ihnen vorbei. In äußerster Spannung warteten sie. Und diesmal funktionierte die Zündung. Ein dumpf dröhnender Knall, und schon stürmten Reich und Bagdadi durch den dicken Staub in das klaffende Loch. Die Juden waren in der Polizeistation! Der Kampf Mann gegen Mann war kurz und scheußlich. In einem Raum fielen ein Jude und ein Araber wie wilde Tiere übereinander her, schlugen, bissen, würgten sich, weil ihre Waffen leergeschossen waren. Bagdadi stürmte herein und schoß. Und dann stampften er und Reich, der Jude aus dem
    Irak und der aus Deutschland, von Raum zu Raum. Der einarmige Palmachkommandeur jagte mit tödlicher Exaktheit einen Feuerstoß nach dem andern aus seiner Schmeisser. Schließlich steckte Bagdadi seinen Kopf aus dem obersten Fenster und rief: »Geschafft! Bis unters Dach.« Die uneinnehmbare Polizeistation war gefallen. Erst jetzt konnten die Palmach-Kämpfer überhaupt fassen, daß ihnen Safad gehörte. Aus allen Stadtteilen kamen Männer und Frauen gelaufen und riefen:    »Alle Feinde sind fort.« Reich
    durchsuchte mit seinen Männern rasch das ganze Araberviertel. Es war tatsächlich leer, aus einem rätselhaften Grund von allen Bewohnern, von allen Soldaten verlassen. Nur ein paar alte Araber fand man, die zum Fortlaufen zu schwach gewesen waren. Und von einem dieser Alten erfuhr Teddy Reich dann endlich so viel, daß er sich des Rätsels Lösung zusammenreimen konnte. Der Alte sagte: »Mein Sohn Mahmud hat davon in der Zeitung gelesen.«
    »Wovon?« fragte Reich auf Arabisch.
    »Haschiroma.« Reich verstand das Wort nicht, aber schon sprach der Alte weiter: »Als die Atumi-Bomba in Haschiroma gefallen ist, hat es angefangen zu regnen.« Er fuhr mit der Hand durch die Luft, um die Bombe anzudeuten, dann ahmte er das Heulen der Davidka nach und murmelte: »Laß dich nicht von dem Regen erwischen, junger Mann. Er frißt sich durch deinen ganzen Körper.« Das Unglaubliche war geschehen. Das Wunder, auf das Nissim Bagdadi gehofft hatte, war eingetreten. Die

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