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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Araber von Safad hatten das gräßliche Heulen der Davidka gehört, den unerwarteten Regenguß gesehen und sich daran erinnert, was die jüdischen Kinder gerufen hatten: »Eine neue Waffe.« Dazu die Angst im Dunkel der Nacht. die vor Schreck weit aufgerissenen Augen. das Flüstern. und dieses Flüstern hatte lauter gedröhnt als das Krachen der Davidka, und endlich hatte ein Narr geschrien: »Atumi Bomba!«
    »Wo ist dein Sohn?« fragte Reich den Alten auf Arabisch. »Er ist fort.«
    »Er hat dich einfach hiergelassen?«
    »Wegen der Atumi«, schnatterte der Alte. »Sei vorsichtig mit dem Regen.« Die Araber waren aus ihren sicheren Häusern bei der Moschee Dschama-el-Achmar geflohen. In den Stunden vor Tagesanbruch hatten sie ihre Stellungen bei der Brücke aufgegeben, wo überhaupt kein Jude kämpfte. Aus ihren Befestigungen waren die rotbemützten Iraker, die »Löwen von Aleppo« mit ihren schwarz-weißen Kopftüchern und die Krieger des Großmufti geflohen. In erdrückender Übermacht hatten sie einem verachteten Feind gegenübergestanden -vierzig gegen einen! -, aber dann war die Panik über sie gekommen, eine Panik, in die sie sich selbst hineingesteigert hatten.
    Teddy Reich war in Siegerstimmung. Aber mit der war es schnell vorbei, denn Vered Jewneski kam weinend gelaufen: »Gottesmann hat den Verstand verloren!« Hastig berichtete sie, er habe am Rand der Stadt einen verlassenen englischen Land-Rover gefunden und fahre nun damit auf der Straße nach Damaskus hinter den fliehenden Arabern her und flehe sie an, sie sollten nach Safad zurückkommen. Bei diesem aberwitzigen Unternehmen werde er bestimmt umkommen.
    Reich schickte sofort Bagdadi los. Der rannte aus der Stadt, gefolgt von Vered und Ilana. Endlich holte er den englischen Wagen ein. Es war genau so, wie Vered erzählt hatte: Gottesmann fuhr langsam die Straße entlang und redete auf die arabischen Flüchtlinge ein. »Wir brauchen euch«, sagte er immer wieder auf Jiddisch. Aber die völlig demoralisierten Araber flüchteten nur um so schneller. In aller Ruhe wendete Nissim den Wagen und fuhr dann die Juden im Triumph zurück. Gottesmann aber saß schweigend neben ihm - er wußte: Wenn die Araber für immer gegangen waren, dann war damit der Triumph irgendwie getrübt.
    Nur eine Stellung in ganz Safad hielten die Araber noch - das große Fort auf dem Berg im Rücken der Stadt. Als Bagdadi und Gottesmann wieder bei Teddy Reich waren, starrten sie alle drei durch das Wadi auf den unheimlichen Klotz. Aber Reich konnte einen Freudenschrei doch nicht unterdrücken: »Ich habe es euch ja gesagt!« jubelte er. »Jetzt haben sie Angst, nicht wir.« Aber die drei Palmachniks hatten ebenfalls Angst, denn sie wußten, daß sie bald auch noch gegen dieses Fort anstürmen mußten.
    Um sieben Uhr morgens trafen sich Reich und seine Unterführer an der Treppe. Bagdadi lächelte Ilana an: »Du hast deine Wette gewonnen. Gottesmann hat die Ruine genommen, ehe ich in der Polizeistation war.« Dann fragte er: »Wie ist es denn da oben zugegangen?«
    »Du kennst Gottesmann«, sagte sie stolz. »Wenn er erst einmal in Fahrt kommt . Er allein ist es gewesen, der dafür gesorgt hat, daß der Widerstand der Araber gebrochen wurde. Mit einem Satz war er mitten in ihrem Gefechtsstand und schoß.«
    In diesem Augenblick nahm ein Araber, der sich auf dem Dach der Polizeistation versteckt hatte, Nissim Bagdadi aufs Korn. Die Männer um Teddy Reich hörten einen leisen Knall. Bagdadi brach zusammen. Ilana beugte sich rasch über ihn, während jüdische Scharfschützen den Araber niederschossen. Als Ilana ihre Hand von der Brust des bewußtlos Daliegenden wegzog, sah Gottesmann das Blut, das tödliche Blut, und schrie: »Nein! Nein!«
    Er fiel auf Bagdadi und riß ihm die Kleidung auf. Das Blut strömte. »Nissim!« schrie er in tödlichem Schmerz. Seine Hände waren mit Blut beschmiert. Er brüllte: »Nissim! Wir brauchen dich! Das Fort.« Er redete weiter, in wirren, unzusammenhängenden Sätzen, bis Ilana zwei Palmachniks bat, ihn in ihr Quartier zu tragen. Dort legten sie ihn auf ein Bett. Dann kehrten sie zurück, um den Sieg von tausendzweihundertvierzehn hartnäckigen Juden über insgesamt neunzehntausend Araber zu feiern.
    Drei Tage lang lag Isidor Gottesmann in tiefer Ohnmacht. Sein Körper war erschöpft, sein Geist vermochte Bagdadis Tod nicht zu begreifen - den Tod Nissim Bagdadis, der die gemeinsame Bestimmung der Sefardim und Aschkenasim versinnbildlicht hatte.

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