Die Quelle
»Ehe ihr mit eurer Davidka gekommen seid, haben uns die Araber in Ruhe gelassen.«
Rebbe Itzik ging durch die engen Gassen und sprach: »Das Gericht des HErrn ist über ein halsstarriges Volk gekommen.« Und als das arabische Feuer stärker wurde, senkte sich erneut Düsternis auf das jüdische Viertel, dessen Bewohner nicht wissen konnten, daß Teddy Reich schon bald losbrechen und die Artillerie zum Schweigen bringen würde. In diesem entscheidenden Augenblick erhielt er Unterstützung von einer Seite, von der er es am wenigsten erwartet hätte. In jenen Tagen lebte in Safad ein Rabbi Gedalja, ein blasser Mann mit schwarzem Bart, ungefähr vierzig Jahre alt, mit abfallenden Schultern vom vielen Talmudstudium. Er blieb am liebsten für sich, und unter normalen Umständen wäre von ihm wohl keine große Hilfeleistung zu erwarten gewesen. Aber nachdem Rabbi Gedalja die Lage noch einmal sehr genau durchdacht hatte, war er zu dem Schluß gekommen, daß die Juden wirklich Aussicht hatten, einen Staat in Palästina zu errichten, jedoch nur, wenn die heilige Stadt Safad in den Händen der Juden blieb. Daher gab er den frommen Juden in seiner Synagoge Anweisungen, die sich sehr von denen des Rebbe Itzik unterschieden. »Geht hinaus und helft den Kämpfenden. Tut alles, was sie von euch verlangen, denn mit Hilfe des Allmächtigen werden sie siegen.«
Er selbst begab sich zu den Palmachniks und erteilte Teddy Reich, Bar-El und den anderen Ratschläge: »Ihr dürft nicht denken, daß das Kräfteverhältnis wirklich vierzig zu eins ist. Denn wenn die Araber an etwas glauben, heißt das noch lange nicht, daß sie dafür auch kämpfen. Was scheren sich die Iraker und Syrer denn um Safad? Sie sind gute Kämpfer, und sicherlich auch gute Menschen. Aber dieser heilige Ort ist nicht ihre Heimat. Er ist unsere.«
Rabbi Gedaljas Worte ermutigten die jungen Freiheitskämpfer ebenso wie seine Zitate aus der Thora, die ihnen, wenn nicht als Buch ihres Glaubens, so doch als Buch ihrer Geschichte galt. »Unser Lehrer Mose hat die Zeit kommen sehen, da seine Juden einen Berg erstürmen mußten, um eine Stadt wie Safad zu gewinnen, und so sagte er: >Wirst du aber in deinem Herzen sagen: Dieses Volks ist mehr, denn ich bin; wie kann ich sie vertreiben? So fürchte dich nicht vor ihnen. Gedenke, was der HErr, dein Gott, Pharao und allen Ägyptern getan hat.<« Als die Zeit für den Angriff gekommen war, zitierte er Gottes ermutigendes Versprechen an Sein Volk in Zeiten der Prüfung: »>Ihr sollt eure Feinde jagen, und sie sollen vor euch her ins Schwert fallen. Euer fünf sollen hundert jagen, und euer hundert sollen zehntausend jagen.<« Mit solchen Worten gab der schmale Rabbi an alle seine feste Überzeugung weiter, daß die Juden siegen würden. Am Nachmittag des neunten Mai - die arabische Artillerie schoß, als wollte sie den jüdischen Widerstand in Safad nunmehr endgültig brechen - rief Teddy Reich zum letztenmal die Männer zusammen, die zum Sturm auf die arabischen Stellungen antreten sollten. Er sprach voller Vertrauen, ging noch einmal die Befehle durch und riet jedem, vorher etwas zu schlafen. »Bis acht Uhr«, sagte er gelassen, dann legte er sich auf den Boden und schlief sofort ein.
In Ilanas Quartier trafen sich die alten Freunde noch einmal: Bar-El, Bagdadi, Gottesmann und Vered Jewneski. Ilana kratzte etwas Essen zusammen und betrachtete besorgt ihren Mann: »Du siehst müde aus, Gottesmann.«
»Ich bin’s auch. Ich wollte, es wäre alles vorbei. der ganze Krieg.«
»Gottesmann!« lachte Ilana. »Es wird noch jahrelang so weitergehen. Wenn wir Safad haben, steigen wir sofort auf einen Lastwagen und fahren nach Jerusalem. Und von dort marschieren wir nach Gaza.« Ihr Mann senkte den Kopf. Bagdadi lachte verhalten bei dem Gedanken an die Überraschung der Araber in der Polizeistation. »Die denken sicher, die Betonwände schützen sie für alle Ewigkeit. Wartet nur, wenn meine Ladungen hochgehen!«
»Glaubst du, daß du es schaffst?« fragte Gottesmann und sah auf. »Aber natürlich«, rief der Iraker. »Glaubst du nicht, daß du die Ruine da oben nehmen wirst?«
»Nein«, erwiderte Gottesmann.
Bagdadi zeigte sich über diese Einschätzung der schwierigen Lage keineswegs erstaunt. Er zog einen Stuhl herbei und legte seine dicken Hände auf den Tisch. »Um die Wahrheit zu sagen, Gottesmann, ich hab’ auch keine große Hoffnung. Das heißt, wenn kein Wunder geschieht. Aber ich bin überzeugt, daß es geschehen
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