Die Quelle
darüber wußte. Im Laufe der Jahre war er auf diesem Gebiet zur größten Autorität der Welt geworden. Eine Zeitlang hatte ihn seine Tätigkeit als Pfarrer in Deutschland von seiner selbstgestellten Aufgabe ferngehalten, und weitere Jahre hatte er in Rom verbracht, wo einflußreiche Kardinäle auf ihn aufmerksam geworden waren und ihn sich für höhere Ämter vorgemerkt hatten; während Pater Vilspronck in den Archiven des Vatikans die Dokumente über die Anfänge des Christentums studierte, mußten seine Ausgrabungsarbeiten zurückgestellt werden. Noch stets aber war es ihm gelungen, diesen oder jenen vermögenden katholischen Laien zu finden, der ihm die Mittel zur Verfügung stellte, damit er zu seinen
Forschungsarbeiten nach Palästina zurückkehren konnte. Jetzt lächelte er zu Cullinane hinüber, den er vor Jahren im Negev kennengelernt hatte, als sie beide für Nelson Glueck arbeiteten. Wie ein ungezogener kleiner Junge, der seinem Vater schmeichelt, sagte er: »Nun los, John. Sie wissen doch, was ich möchte.«
»Ist schon unterwegs«, erwiderte Cullinane und bat Tabari den Architekten zur Eile zu mahnen. Noch bevor aber der Araber dazu kam, erschien bereits der Baufachmann von der Pennsylvania-Universität mit Rollen Zeichenpaper und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. Wie Pater Vilspronck gehofft hatte, waren es detaillierte Grundrisse der Mauern, die man in Schicht VII freigelegt hatte. Dort, wo eine byzantinische Basilika über einer jüdischen Synagoge errichtet worden war. Vilspronck warf nur einen flüchtigen Blick auf die Basilika, verfolgte aber sehr sorgfältig die Verhältnisse bei der Synagoge. Nachdem er damit fertig war, bat er darum, den Türsturz sehen zu dürfen, den man in der Wand der Basilika entdeckt hatte. Minutenlang studierte er schweigend den bemerkenswerten Fund. Dann fragte er: »Wo befand er sich in der Mauer?« Fotos wurden hervorgeholt, und der hünenhafte Priester konnte sich vorstellen, was die Archäologen an jenem Tage mit eigenen Augen gesehen hatten.
Schließlich wandte er sich an den Architekten und fragte: »Haben Sie schon Rekonstruktionen angefertigt?«
Der Mann von der Pennsylvania-Universität räusperte sich und antwortete: »Schließlich betrug die Länge der freigelegten Mauer nur.«
»Ich weiß«, unterbrach ihn der Priester. »Aber ich nehme doch an, Sie haben einiges schätzen können.«
Der Architekt breitete einen großen Bogen Papier aus, auf dem die beiden Mauern so zu sehen waren, wie man sie vorgefunden hatte. Stein für Stein war er dann weitergegangen, bis er in etwa mutmaßen konnte, wie die vollständigen Bauwerke einmal ausgesehen haben mochten. Ein Laie, der das wahre Geheimnis der Archäologie kennenlernen wollte, die Art, in der sich heute Lebende bemühen, den Geist der längst Verstorbenen zu ergründen, hätte diese Zeichnung sehen sollen. Als Ausgangspunkt für seine Rekonstruktion hatte der Architekt nur dreieinhalb Meter der von Nordwesten nach Südosten verlaufenden Basilikawand zur Verfügung gehabt und unter ihr nichts als eine Mauerecke der Synagoge. Lediglich anhand dieser dürftigen Hinweise hatte er beide Gebäude gezeichnet und war dadurch dem Ergebnis künftiger Ausgrabungen in Makor einen großen Schritt nähergekommen.
Pater Vilspronck studierte die Zeichnung der Synagoge und fragte: »Warum haben Sie ihr diese Größe gegeben?«
Der Architekt erwiderte: »Nach den Synagogen zu urteilen, die wir bis jetzt freigelegt haben, ist unser Türsturz für einen Haupteingang nicht groß genug. Darum nehme ich an, daß er über einer von drei kleinen Türen gesessen hat. Das ergibt dann eine Fassade wie die, die ich hier gezeichnet habe. Die Stärke der Mauern ist ebenfalls genauso, wie wir sie an anderen Stellen gefunden haben. Für meine Rekonstruktion habe ich die alten Synagogen von Baram... Sie wissen schon, Kefar Birim... von Kefar Nachum und Bet Alfa eingehend studiert. Und was Sie hier sehen, entspricht etwa dem, was wir finden werden.«
»Das meine ich auch«, sagte der Priester und drehte das Papier so, daß er die Synagoge unter einem anderen Blickwinkel betrachten konnte. Der späteren Basilika schenkte er keinerlei Beachtung, so daß Cullinane den Eindruck bekam, der Holländer sei als Priester von den Entdeckungen in Makor enttäuscht, als Archäologe aber sehr zufrieden mit ihnen. »Bemerkenswert«, sagte er schließlich. »Das hier deckt sich mit allen unseren anderen Funden.« Er zuckte die Achseln und fragte
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