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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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begonnen, einen Acker zu bestellen. Immer und immer wieder kam Tabari bei seinem Grübeln zu dem Schluß, daß die ersten Familien irgendwo in der Nähe dieses sanft abfallenden Felsens gelebt haben mußten, nicht weit von der bisher unauffindbaren Quelle, wo immer sie auch gewesen sein mochte. Dieser Gedankengänge war sich Tabari nicht einmal voll bewußt. Aber als später Nachfahre aus dem Geschlecht des Mannes Ur hatte er einen wachen Instinkt für die Erde. Irgendwie spürte er, daß die allerersten Bauern sich ihre Felder am Fuße des Hanges ausgesucht haben mußten, damit noch der geringste Regen die Felder bewässern und jedes Jahr frischen Mutterboden anschwemmen konnte, als Dünger für ihren Acker, der sich ohne diese Zufuhr wohl rasch erschöpft hätte. Wo in der Nähe des Felsens von Makor hatte sich diese Stelle einmal befunden?
    Tabari schaltete seinen Verstand völlig aus und versuchte, die Grundfesten dieses Tell heraufzubeschwören, wie sie einmal gewesen sein mußten. Nicht in die Zeit vor elftausend Jahren ging er zurück, sondern in die vor zweihunderttausend, dreihunderttausend Jahren. Der Schweiß brach ihm aus, als er fühlte, wie sein Körper mit dem uralten Boden verschmolz. Seine Hände wurden feucht, das Atmen fiel ihm schwer. Wenn er herausbekam, wo dieser Felshang geendet hatte, dann ließ sich vielleicht auch der Platz der Quelle angeben. Und wenn ihm das gelang, konnte er die Geschichte des Tell womöglich sechzig- oder gar hunderttausend Jahre weiter zurückverfolgen. Das aber würde bedeuten, daß Makor eine der großen Stätten der Archäologie wurde, eine klassische Ausgrabung wie die vom Berg Karmel, von Jericho und Geser.
    Drei Stunden waren vergangen, da rief er endlich: »Eliav.« Der Jude hörte nicht, denn er arbeitete im Graben A, wurde aber benachrichtigt. Schon kurz darauf schaute er vom Rand des Grabens hinunter.
    »Was Interessantes?« fragte er mit der ständigen Neugier des Archäologen. »Komm mal her«, sagte Tabari, ohne sich seine Erregung anmerken zu lassen. Als Eliav sah, daß Tabari am Fuße der westlichen Grabenwand mit dem Pickel gearbeitet hatte, fragte er, was das zu bedeuten habe. Tabari antwortete: »Sieh es dir nur genau an. Bemerkst du irgend etwas?« Der Jude kniete nieder, untersuchte aufmerksam den unversehrten Fels und sagte: »Keine Anzeichen von Bearbeitung mit irgendeinem Werkzeug. Keine Inschriften.« Er richtete sich auf und betrachtete etliche Minuten lang sehr sorgfältig die Stelle. Nochmals ließ er sich auf die Knie nieder und prüfte die Schicht. Und jetzt erhob er sich in heller Erregung und rief: »Die ganze Geschichte senkt sich bestimmt in diese Richtung.« Er stockte, sah Tabari mit aufgeregt flackernden Augen an und meinte dann zögernd: »Und wenn sich der Hang fortsetzt. könnte es leicht möglich sein, daß irgendwo da drüben, außerhalb des Tell.« Er verstummte.
    »Ilan«, sagte der Araber vorsichtig, »ich glaube, dieser Hang könnte uns zu der Quelle führen.«
    »Die Möglichkeit besteht«, erwiderte Eliav zustimmend, aber mit noch größerer Zurückhaltung. »Wenn es so ist, müßte sich die Quelle dort unten im Wadi befinden.« Dabei deutete er in genau die gleiche Richtung, die Tabari vermutet hatte. Mühsam sich beherrschend, stiegen die beiden die steile Böschung hinunter, um jede nur mögliche Stelle nach einer Quelle abzusuchen. Aber es hatte sich so viel Geröll aufgehäuft, daß die Quelle, wenn es sie dort wirklich je gegeben hatte, schon seit langer Zeit verschüttet sein mußte und jetzt ihr Wasser durch unterirdische Rinnsale ablaufen ließ. Deshalb durchstreiften Tabari und Eliav weithin die Talsohle des Wadi, um zu sehen, ob nicht doch irgendwo Wasser hervorsickerte, fanden aber nichts. Schließlich sagte Tabari: »Ich glaube, wir müssen den Einfallwinkel des Felshangs verfolgen. wohin wir da kommen.« Eliav war einverstanden. Der Routine entsprechend, die auch bei Ausgrabungen auf Wahrung der Rangordnung sieht, hatten sie allerdings Cullinanes Genehmigung einzuholen, dem sie schließlich unterstanden. Eliav meinte jedoch, diesmal eine Ausnahme machen zu können: »Ich glaube, wir sollten eine kleine Grabung auf eigene Verantwortung vornehmen.« Und so arbeiteten sie sich am Rand des Felsuntergrundes hinunter. Den winzigen Stollen, den sie gruben, sicherten sie mit Holzstreben ab; erforderlich war das eigentlich nicht, denn im Verlauf von mehr als zwanzigtausend Jahren hatte der Kalk aus dem Wasser, das in

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