Die Quelle
gab der Kibbuznik an. »Und die waren bestimmt nicht verschüttet. Darum könnten unsere. nun? Vielleicht höchstens 3000 vor.«
Eliav hörte mit Vergnügen zu. In Israel war jeder ein Archäologe, und der Kibbuznik kannte sich gut in seinen Daten aus. Tabari aber meinte: »Sie haben ein bißchen früh getippt. Bedenken Sie, Jericho ist sehr trocken, und bei uns ist es sehr feucht. In feuchten Gebieten füllen sich Höhlen weit schneller auf.«
»Was kann der Hohlraum denn aber sonst gewesen sein?« fragte der Kibbuznik. Tabari dachte eine Weile nach und sagte dann vorsichtig: »Da einige von euch für die nächsten acht oder zehn Jahre hier arbeiten wollen, laßt uns mal versuchen, eine ganz klare Schlußfolgerung zu ziehen. Ich erkläre euch kategorisch, daß eine Höhle nicht in Betracht kommt. Nun, was könnte es sonst noch sein?« Schweigen. »Welch wichtiges Element eines Tell vermissen wir hier in Makor noch?«
»Die Wasserversorgung«, vermutete ein Kibbuznik.
»Genau.« Er sagte dieses Wort immer noch so gern. »Und was liegt darum nahe?«
»Daß sich die Quelle entweder am Fuße des Tell befunden hat, was wegen des felsigen Untergrundes hier in Makor als unwahrscheinlich anzusehen ist, oder sie lag außerhalb, wie in Megiddo und Geser.«
»Genau. Und was können wir daraus schließen?«
»Nach diesen beiden Fundstätten zu urteilen, hat man etwa um 1100 vor einen senkrechten Schacht durch den Tell gegraben und dann einen waagerechten Stollen bis zur Quelle.«
»Genau. Und worauf sind wir jetzt gestoßen?«
»Wenn es der senkrechte Schacht wäre«, vermutete ein Mädchen, »müßte er in dreitausend Jahren bestimmt restlos zugeschüttet worden sein. Darum kann es nur der horizontale Stollen sein.«
»Genau. Was ist aber, wenn ich euch nun sage, daß in dem gleichen Zeitraum auch der Stollen gänzlich aufgefüllt wäre?«
Die Kibbuzniks schwiegen ratlos. Der englische Fotograf fragte: »Stimmt Ihre Vermutung? Wirklich aufgefüllt?«
»Bestimmt.«
Die Tochter des Generals Teddy Reich fragte mit schüchterner Stimme: »Wir wissen aber, daß sich eine Kreuzritterburg auf dem Tell befand. Sie mußten Wasser haben, wenn sie belagert wurden. Könnte damals nicht der Stollen noch einmal freigelegt worden sein? Vor etwa tausend Jahren?«
»Ich wollte, ich könnte noch einmal >genau< sagen, weil das nämlich auch meine eigene Theorie ist«, lachte Tabari, »und ich kann nur hoffen, daß wir beide recht haben.«
Die Mahlzeit war beendet. Lässig erhob er sich und schlenderte mit gespielter Gleichgültigkeit zum Graben B. Alle, die von ihrer Arbeit abkommen konnten, hefteten sich mit gleicher Nonchalance an seine Fersen. Nur ihre Gesichter Spiegelten die Erregung wider. Selbst die auf den Feldern arbeitenden Kibbuzniks merkten, daß an ihrem Tell etwas Wichtiges vor sich ging. Sie ließen alles stehen und liegen und wurden ebenfalls Archäologen. An der Grabungsstätte bot der Araber Eliav die Laterne an und sagte: »Du hast die Öffnung entdeckt. Geh du voraus.«
Doch der Jude wollte sie nicht nehmen. »Du bist darauf gekommen.« Den Umstehenden erklärte er in kurzen Worten
Tabaris kluge Überlegung hinsichtlich des abfallenden Felshangs. »Und dir ist außerdem die Sache mit dem alten Brunnenstollen eingefallen. Im übrigen«, fügte er hinzu, »könnte es auch auf der anderen Seite verdammt steil hinabgehen.« Er führte Tabari zu ihrem engen Suchstollen und trat beiseite.
Und so kroch der letzte Sproß aus dem Geschlecht des Mannes Ur zurück in die Erde, aus der seine weitverzweigte Familie hervorgegangen war: vorbei an dem Felsuntergrund, auf den die Kanaaniter gebaut hatten; vorbei an der sechzehnten und siebzehnten Schicht aus jener Zeit, da seine Vorfahren eine noch ältere Höhlensiedlung überfallen und -etwa im Jahre 13000 v. Chr. - vernichtet hatten; tiefer vorbei an der achtzehnten Schicht - damals dämmerte den Menschen eine erste Ahnung dessen, was wir heute Religion nennen; zur neunzehnten und zwanzigsten Schicht aus den urzeitlichen Tagen, als die Frauen darauf gekommen waren, daß man die Toten liebevoll bestatten sollte. Und er kroch bis dorthin, wo der Pickel im Gestein steckte. Tabari atmete schwer. Er spürte, wie nahe er jetzt dieser uralten Erde war. Vorsichtig ergriff er den Stiel und drehte ihn hin und her. Eliav hatte recht. Die Spitze des Pickels mußte jenseits der Wand ins Leere ragen. Mit einem Ruck riß er am Stiel. Ein großer Steinbrocken löste sich, kam ihm beinahe
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