Die Quelle
ein Ende zu machen.«
»Dem was?« fragte Cullinane.
»Eine unpassende Redewendung, die ich mir angewöhnt habe«, erklärte Eliav. »Es wird Zeit, daß ich so etwas unterlasse.«
»An jenem Sabbat haben diese Halbstarken bei vielen Taxis die Fenster eingeschlagen«, sagte Cullinane. »Die Taxifahrer fürchten sich fast, samstags zu fahren.«
»Das will diese Gruppe ja erreichen«, meinte Eliav. »Sie glauben, daß Israel nur bestehen kann, wenn es sich strikt an die Gesetze der Thora hält. bis in die kleinste Kleinigkeit.«
»Völlig widersinnig«, sagte Cullinane.
»Als Katholik weißt du, daß es widersinnig ist«, lachte Tabari, »und ich als Moslem weiß es auch. Aber die Juden wissen es nicht, und selbst der Herr Minister Eliav ist sich nicht ganz sicher. Denn schon ziemlich bald muß er zu diesem Problem Stellung nehmen.«
»Während ich im Krankenhaus lag«, sagte Cullinane, »hatte ich das düstere Gefühl, daß wir uns alle eines Tages mit gewissen moralischen Problemen auseinandersetzen müssen. Und wir scheinen uns einfach nicht dazu bereitzufinden. Ich hatte eine lange Unterhaltung mit einem Beamten der italienischen Regierung. Es ging um eine Abmachung mit den Jordaniern wegen des Grenzübergangs katholischer Pilger nach Bethlehem. Er erzählte mir, wie nahe daran die italienischen Wähler gewesen seien, eine kommunistische Regierung zu wählen. Nur eine kleine Verlagerung der Stimmen wäre schon ausreichend gewesen. Der Italiener fragte mich: >Angenommen, so etwas passiert wirklich einmal. Was würde die Welt dann mit dem Vatikan vorhaben? Und würde der Papst nach Rußland gehen? Oder nach den Vereinigten
Staaten? Oder wird er, machtlos eingekapselt hinter seinen Mauern, in Italien bleiben?< Der Tag könnte tatsächlich kommen, an dem wir diesem Problem gegenüberstehen.«
»Die Religionen haben dauernd ihre Schwierigkeiten«, sagte Tabari. »Unglück macht sie ehrlicher. Es tut ihnen nur gut.«
»Und ich hatte außerdem das Gefühl«, fügte Cullinane hinzu, »daß sich die Welt vielleicht zur gleichen Zeit mit dem Problem des Judentums auseinandersetzen müßte. Inwieweit sind wir darauf vorbereitet, das Judentum als unsere Mutterreligion zu schützen?«
Eliav erfaßte sofort die Bedeutung dieser Frage, Tabari hingegen nicht. Der Araber sprach zuerst: »Neulich noch habe ich im Scherz gesagt, daß die Juden der Welt einmal in einer Rakete die Erde umkreisen würden. Aber Spaß beiseite. Ich denke doch, die Zeiten sind vorbei, in denen man noch sechs Millionen Juden ausrotten konnte.«
Eliav jedoch sagte: »Sie setzen Israel mit dem Judentum gleich, und Sie fragen sich, was die Welt unternehmen wird, falls die Araber versuchen sollten, Israel auszumerzen?«
»Ja«, erwiderte Cullinane. »Zum erstenmal seit ich in Israel bin. als ich mit dieser sinnlosen Wunde quer übers Gesicht im Krankenhaus lag und über die Wahnvorstellungen dieser religiösen Raufbolde, die mit Steinen werfen, nachdachte. Was ich sagen will, ist folgendes: Wenn derartige Fanatiker das neue Israel repräsentieren, kann man von Leuten wie mir nicht erwarten, daß sie euch unterstützen, falls die Araber euch angreifen. Und mit dem Untergang Israels würde sich das moralische Problem stellen, von dem ich gesprochen habe.«
»Das ist falsch und doch zugleich richtig«, antwortete Eliav. »Sie irren sich, wenn Sie den Staat Israel und den jüdischen Glauben in einem Atemzug nennen. Ganz gleich, was einmal mit Israel passiert, das Judentum wird weiterbestehen. Genauso, wie der Katholizismus weiterbestanden hat, selbst als das Territorium des Vatikans dem Papst nicht mehr gehörte. Aber Sie haben recht, wenn Sie sagen, daß wir alle, Katholiken, Araber und Juden, eine vernünftige Art des Zusammenlebens in der Welt schaffen müssen, wenn sich nicht eine neue und so radikale Richtung durchsetzen soll, wie sie sich keiner von uns hier auch nur vorstellen kann.«
»Eines Nachmittags«, sagte Cullinane, »gaben mir die Ärzte irgendeine Injektion, und ich bekam darauf eine dieser Zwangsvorstellungen. von einem Jerusalem, das auf Beschluß der ganzen Welt zu einer Art von abgeschlossener Gespensterwelt erklärt worden war: Der Papst hatte hier seinen kleinen Vatikan, weil Italien ihn nicht länger haben wollte; der oberste Rabbi residierte an der Klagemauer, weil Israel ihn nicht länger akzeptieren konnte; der neue Prophet des Islam hatte ebenfalls ein Gebiet für sich, weil die mohammedanischen Länder ihn nicht wollten,
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