Die Quelle
sein?« widersprach Timna.
»Er tut viel für uns«, erklärte Urbaal, »und verlangt dafür nur. unsere erstgeborenen Söhne.« Für den Bauern war dies überzeugend folgerecht. Und jetzt wollte er zu seinen Ölbäumen. Aber Timna hielt seine Hände fest und bettelte, bis es ihm notwendig erschien, sie in die Wirklichkeit zurückzurufen. »Solange Makor steht«, sagte er schroff, »haben wir Melak unsere erstgeborenen Söhne dargebracht.
Matred hat es getan. Die Sklavinnen haben es getan. Und du wirst es ebenfalls tun.« Er ging hinaus. Aber als er den Hof überquerte, sah er seinen jüngsten Sohn. Sechs Monate alt war er erst, und lustig gluckste er im Schatten vor sich hin. Ein lähmender Schmerz durchfuhr den Vater - der Schmerz, den mit Timna zu teilen er sich gewehrt hatte. Doch sie war ihm aus dem Raum der Götter gefolgt und sah nun, in der Tür stehend, seine unwillkürliche Bewegung des Kummers. Dreimal - so dachte Timna - hat er seine Erstgeborenen ausgeliefert: Matreds Sohn und die der Sklavinnen. Sein Gram ist größer als meiner. Aber er wagt ihn nicht zu zeigen.
Timna hatte recht. Das einfache Gemüt ihres Mannes war verstrickt in die Widersprüche jener Zeit, wie alle Menschen es waren, verstrickt in den Kampf zwischen Tod und Leben -zwischen Melak, der den Tod forderte, und Astarte, die das Leben schenkte. Und das war auch der Grund, weshalb Urbaal das Haus der Heiterkeit floh, in dem seine Sklavinnen mit den Kindern sangen, durchs Tor stapfte und Trost suchte in seinem Olivenhain. Hier, unter den schönen graugrünen Bäumen, wollte er die Todesgedanken verscheuchen, indem er das Bild der verführerischen Sklavin heraufbeschwor, die er beim Tempel gesehen hatte. Er rief sich die erste Begegnung ins Gedächtnis. Die Krieger von Makor hatten einen kaum nennenswerten Streitzug unternommen - eine kleine Stadt war von einer anderen kleinen Stadt belästigt worden. Urbaal, der nicht teilgenommen hatte, war vor sein Haus getreten, als die Krieger singend durch das Stadttor zogen. Unter ihren Gefangenen hatte sich das bezaubernde Mädchen befunden. Die damals Fünfzehnjährige war keine Bürgerin der Stadt gewesen, gegen die Makors Truppen gekämpft hatten, sondern Sklavin, aus einem Ort weiter nördlich in eben jene Stadt verschleppt. Da keiner der Krieger einen Anspruch auf sie geltend machen konnte, hatten die Priester sie für sich gefordert: Ein so schönes Mädchen konnten sie für ihre Zwecke, und damit zum Wohle der Stadt, gut gebrauchen. Sie hielten die Sklavin im Tempel eingesperrt, erlaubten ihr nur selten, sich in der Öffentlichkeit sehen zu lassen, und deuteten an, sie sei für einen besonders feierlichen Zweck bestimmt. Der Plan der Priester hatte gewirkt. Die Anwesenheit des Mädchens und die Worte der Priester erregten die Männer von Makor, die in den Feldern und an den Olivenpressen arbeiteten wie nie zuvor.
Seiner Gewohnheit folgend, ging Urbaal zunächst zur Mitte seines Hains, wo in einem abgerundeten, knapp eine Spanne sich über den Boden erhebenden Stein der Baal wohnte, der über die Ölbäume herrschte. Urbaal huldigte dem Gott und rief dann nach seinem Vorarbeiter. Der kam schwitzend angerannt. »Ertrag gut?« fragte der Bauer.
»Schau«, sagte der Vorarbeiter und führte Urbaal an den Hang des Felsens, wo eine Maschine einen Großteil des Reichtums von Makor erzeugte. In den Fels hatte man eine tiefe quadratische Grube gehauen, deren Seiten etwa fünf Armlängen maßen. Viel Geduld und das richtige Werkzeug waren nötig gewesen für das Aushauen dieser Grube, und viel Einfallsreichtum hatte dazu gehört, das zu schaffen, was sich in dieser Grube befand: eine Ölpresse. Auf einem hölzernen Tisch wurden die geernteten Oliven gehäuft. Ein erhöhter Rand ließ keine Frucht daneben fallen. Genau in diesen Rand paßte ein schwerer Holzblock, der die Oliven zerquetschte und ihr Öl herauspreßte. Der Druck auf diesen Block wurde verstärkt durch eine Stange, die mit einem Ende so im Fels steckte, daß sie mit beträchtlicher Hebelkraft auf und ab bewegt werden konnte. Am freien Ende - und das war ein besonders guter Einfall - waren mit Stricken große Steine befestigt. Auf diese Weise konnte der Druck Tag und Nacht gleich stark gehalten werden, ohne daß Männer, die in Makor ohnehin knapp waren, Stunde um Stunde den Hebelarm herunterziehen mußten. Diese Ölpresse war eine der ersten Maschinen der Welt. Und sie funktionierte.
Nicht minder scharfsinnig war die weitere Anlage:
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