Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
Vom Netzwerk:
doch. »Das sind ja mehr als vierzehn Gin Silber«, sagte er. »Letztes Jahr taten es schon acht.«
    »Vierzehn.« Heth ließ nicht mit sich handeln. »Aber es ist auch eine besondere Astarte. Sie ist nicht einfach handgeformt wie deine anderen. An Akka haben sie ein neues Verfahren entdeckt, und das kostet seinen Preis.«
    »Ich kaufe sie«, sagte Urbaal, nahm die kleine Göttin und führte sie an seine Lippen. Dann ging er wieder über den Platz zu den Monolithen.
    Das Geheimnis des Erfolges, den Urbaal als Bauer hatte, lag in der Art, wie er seine Astarte behandelte. Denn er wußte: Als Göttin der Fruchtbarkeit mußte Astarte den Geschlechtsakt lieben, als den Quell ihrer Macht. Deshalb ließ er seine Göttinnen nie allein; stets sorgte er dafür, daß ausreichend männliche Götter für sie bereitstanden. Jetzt trug er seine neue Göttin zum alten Monolithen des El, stellte sie dem Halbverborgenen vor und flüsterte: »Heute nacht, Großer El, komme zum Hause Urbaals, wo die Göttin Dich erwartet.« Dann brachte er sie zu den Baalim, zu einem nach dem andren, hielt ihnen die Verführerische entgegen, rieb ihren Körper an dem des Gottes und murmelte: »Heute nacht, wenn der Mond sich senkt, komm zum Hause Urbaals, wo Astarte Dich erwartet.« Die kleine Göttin zärtlich mit den Händen umschließend, verneigte er sich vor den vier Monolithen und wollte heimgehen. In dem Augenblick ging ein hochgewachsenes, schlankes sechzehnjähriges Mädchen an der Vorhalle des Tempels vorbei. Sie trug ein grobgewebtes Gewand und goldene Sandalen; bei jedem Schritt hoben sich ihre langen bloßen Beine unter dem Kleid ab; ihr schwarzes, über die Schultern fallendes Haar glänzte in der Sonne. Das Gesicht des Mädchens war ungewöhnlich schön: dunkel und weit gestellt die Augen, lang die gerade Nase, hoch die Wangenknochen und zart die Haut. Sie bewegte sich mit lockender Anmut und war sich ihrer Wirkung auf die Männer wohl bewußt, denn sie dachte an nichts anderes.
    Von einem Streifzug nach Norden hatte man sie als Sklavin nach Makor mitgeschleppt. Seitdem stand Urbaal in ihrem Bann. Er träumte von ihrem Gang, bei der Arbeit im Ölbaumhain mußte er an sie denken, und wenn die Mädchen von Makor seine Trauben stampften, sah er sie vor sich, die langen Beine mit rotem Saft bespritzt. Selbst als Timna, des Bauern zweite Frau, ihr Kind bekam, hatte Urbaal nur Sinn für die schöne Sklavin. Ihretwegen auch hatte er jetzt die vierte Astarte gekauft. Die Göttin fester an sein Herz pressend, starrte er auf das Mädchen, bis es in einem anderen Teil des Tempels verschwand. In verzehrender Leidenschaft hob er die Tongöttin an seinen Mund, küßte sie und murmelte: »Astarte! Meine Felder müssen Frucht bringen. Hilf mir! Hilf mir!«
    Eine Zeitlang wartete er im Schatten, doch seine Hoffnung, die hochgewachsene Sklavin werde vielleicht noch einmal kommen, erfüllte sich nicht. In trüben Gedanken wanderte er zurück zum Haupttor. Hier war die Straße zweimal in scharfem Winkel geknickt und mit Türmen bewehrt, von denen aus Bogenschützen jeden Straßenwinkel mit ihren Pfeilen bestreichen konnte. Denn die Leute von Makor hatten vor langer Zeit schon eines gelernt: Wenn vom Tor aus die Straße gerade ins Innere der Stadt führte, hatte der Feind, sobald einmal das Tor aufgebrochen war, leichte Hand. Anders hier: Sollte der Gegner wirklich einmal das Tor stürmen, so mußte er sich scharf nach links wenden. Aber noch ehe er dort vorankam, ging es schon wieder nach rechts - und das auf so engem Raum, daß er ständig dem Beschuß der in Wehrtürmen und Häusern lauernden Verteidiger ausgesetzt blieb. In diesem Straßen- und Mauergewirr lag Urbaals Haus, selbst fast so unübersichtlich angelegt wie die Wehrbauten des Stadttors. Die Mitte des Hauses nahm, gleichsam als sein Herzstück, der Hof mit unregelmäßigem Grundriß ein. Von ihm aus verliefen Seitenflügel nach verschiedenen Richtungen hin. In dem Flügel, der dem Tor am nächsten lag, wohnten Urbaals zwei Frauen mit den fünf Kindern: vier von der ersten Frau und der kürzlich geborene Sohn der zweiten. Der gegenüberliegende Flügel barg Kornspeicher, Weinvorräte, Küchenräume und Kammern für die Sklaven; zwei Sklavinnen waren besonders hübsche Mädchen, die ihm zu seiner Freude schon eine Reihe von Kindern geboren hatten. Insgesamt lebten etwa zwanzig Menschen in Urbaals Haus, einer Stätte des Lärms, der Lebenskraft und der Liebe. Für diesen Mann, einen gewaltigen

Weitere Kostenlose Bücher