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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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wieder zu sich selbst. Jetzt konnte er kaum begreifen, daß er Amalek angegriffen hatte, und tief beschämt hörte er sich an, daß nur die Gutmütigkeit des Viehzüchters ihn vor Strafe bewahrt hatte. Er sah auf Timna, sah, daß sie schwanger war, und sah, wie schön sie war. Und nun kam ihm auch die Erinnerung, mit welcher Geduld sie sich gemüht hatte, ihn zur Vernunft zu bringen. Beim Heimweg wollte Timna so gehen, daß sie nicht am Tempel vorbeikamen. Aber Urbaal durchschaute ihr Vorhaben und sagte: »Wir können ruhig am Tempel vorbeigehen. Ich habe sie vergessen.« Und er bestand sogar darauf, den Stein des Gottes El aufzusuchen; er blieb dort stehen und dankte El für seine Rettung. Während er betete, sah ihn Timna nachdenklich an: Wenn diese Stadt Makor nicht so viele Götter hätte und wenn es hier nicht diese widerlichen Bräuche gäbe, die des Menschen Geist verwirren mußten, so wäre Urbaal der fröhliche, einfache Mann geblieben, der liebevolle Gemahl, der einst so verständnisvoll gewesen war. So schwer es ihr fiel, sich vorzustellen, daß das sittliche Gefüge einer Stadt die Wesensart ihrer Bewohner bestimmen kann - es mußte doch wohl die Wahrheit sein.
    Das Geschehen der folgenden Tage schien den Lohn für Timnas Treue zu bringen. Urbaal machte sich an die Winterarbeit, beschnitt die Bäume, und am späten Nachmittag, wenn das Tagewerk getan war, saß er an seinem gewohnten Platz im Hof, plauderte mit seinen Kindern oder spielte mit den Sklavinnen eine Art Tricktrack. Und er bestellte ein paar Krüge guten Wein beim Händler, der seinen Vorrat in großen, zum Kühlhalten in die Erde versenkten Tonkrügen aufbewahrte. Um die großen Monolithen und um den Tempel aber kümmerte sich Urbaal nicht mehr; wohl aber wanderte er jeden Tag durch seine Felder und huldigte den kleinen Baalim, die über sein Eigentum wachten. Der seltsamste Anstoß zu seinem Sinneswandel kam indessen aus einer Richtung, aus der er es am wenigsten erwartet hätte: Selbstverständlich war sein Versagen bei der Tempelhure zum Stadtgespräch geworden. Anfangs hatte ihn das ganz außer Fassung gebracht. Jetzt aber lachte er über die beschämende Erfahrung. Er war schließlich ein Mann von sechsunddreißig Jahren, er wurde alt. Die wilde Erregung, die Libamah entfesselt hatte - war sie nicht doch nur ein Versuch seinerseits gewesen, das Jungsein noch einmal heraufzubeschwören? »Ich kann sie getrost Amalek überlassen«, vertraute er Timna an. »Er ist sechs Jahre jünger als ich.« Indem sich Urbaal über sich selbst lustig machte, fand er den Weg zurück zu den Vergnügungen, wie er sie einst mit seinen Sklavinnen gehabt hatte. Seine größte Zuneigung jedoch galt Timna, die nun, da das Kind unter ihrem Herzen wuchs, noch lieblicher wurde als an jenem heißen Nachmittag, an dem sie zum erstenmal über die zum Stadttor führende Rampe kam und Urbaal begegnete. Damals hatte Urbaal mit den Torwächtern Würfel gespielt - diese Stunde war der Anfang ihres Glückes gewesen. Und wenn sie jetzt sah, wie der ihr neu geschenkte Mann zu Amalek ging, um mit ihm über das Mißverständnis seine Späße zu machen,
    war sie gewiß, daß sie sich richtig verhalten hatte. Dann kam das Jahresende, die Zeit des Winterausgangs, aber auch die Zeit der Besorgnis, ob die Götter der Stadt Makor günstig gesinnt waren und das neue Wachstum fördern würden. All die alten Bräuche wurden aufmerksam befolgt. Zum Zeichen des Vertrauens, das man in die Götter setzte, wurde in jeder Küche alles Brot und aller Weizen verbrannt, die vom endenden Jahr noch übriggeblieben waren. In Urbaals Haus rannten die Kinder hin und    her    auf    der    Suche nach kleinen
    Getreidevorräten, die Timna für sie versteckt hatte, und brachten, was sie fanden, mit fröhlichem Geschrei zum Feuer. Hier warf Urbaal ihre Gaben in die Flammen und betete dabei: »Wir vertrauen den Göttern, daß unsere Ernte dieses Jahr gut wird.« Darauf holte er frischen Weizen von den Winterfeldern, der schleunigst gemahlen und zu Brot gebacken wurde; dabei wartete man nicht einmal, bis der Teig durchsäuert war, denn es durfte niemals    an Brot    im    Hause fehlen. Sodann
    versammelten sich alle Frauen von Makor, jede mit einem Krug Wasser in der Hand, und zogen zum großen Brunnen außerhalb der Stadtmauer. Diesmal holten sie dort kein Wasser herauf, sondern spendeten dem Brunnen das aus den Häusern herbeigetragene Wasser und beteten, der Brunnen möge sie

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