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Die Quelle

Titel: Die Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James A Michener
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Herzen gelöscht werden.« Urbaal stand vom Lager auf. Timna rief zwei Sklavinnen, damit sie ihnen auf dem Weg leuchteten. Als die mißtrauische Matred rief: »Wer ist an der Tür?«, antwortete sie: »Ich, Timna, ich gehe mit dem Gott El sprechen.« Und sie führte ihren Mann in die gestirnte Nacht hinaus, durch die gewundenen Straßen, vorbei an den niedrigen Häusern, in denen die Menschen schliefen, hin zu der Reihe der feierlich in den dunklen Himmel ragenden Monolithen. Ohne den drei großen Steinen Beachtung zu schenken, kniete sie vor dem alten, halb vergrabenen nieder und betete, der Große El möge den zehrenden Wahn von ihrem Mann nehmen. Urbaal stand neben der Knienden. Er ahnte, was sein Weib da für ihn tat, und sah auf den Gott El, der für sich allein stand, unscheinbar, ohne feurigen Schlund, ohne lächelnde Astarten und ohne nackte Priesterinnen. Heilsamer Friede breitete sich über sein gequältes Gemüt.
    Unglücklicherweise bewegte sich genau in diesem Augenblick ein Lichtschein innerhalb des Tempels. Urbaal schrie auf: »Es ist Libamah! Sie gibt mir ein Zeichen.« Der Große El war vergessen; abermals hatte die unbezähmbare Gier nach der Priesterin der Liebe sich Urbaals bemächtigt. Er ließ sein Weib neben dem Stein knien, hastete zum Tempel, sprang die Stufen empor, auf denen Libamah getanzt hatte, und warf sich gegen die Türen, bis die Priester, nur notdürftig bekleidet, herauskamen und Timna befahlen: »Bring deinen verrückten Mann nach Hause.« Still führte sie ihn zurück zum weitläufigen Haus am Tor und in seinen Raum der Götter, wo er, in einer Ecke kauernd, die drei grinsenden Astarten bis zum Morgengrauen anstarrte.
    Timna ging in ihr eigenes Zimmer. Was konnte sie noch tun? Sie war fest davon überzeugt, daß sie die falschen Astarten völlig zu Recht zerstört hatte. Denn es konnte nur einen einzigen Gott geben, den Einen El, der über die Menschen wachte. Die anderen Götter hatten sich nur zwischen ihn und die Menschen gedrängt, denen sie lediglich ein wenig mehr Sicherheit vorgaukelten. Wirkliche Macht aber konnten sie nicht besitzen. Timna verspürte keinerlei Reue darüber, daß sie die Astarten und die Baalim beiseite geschafft hatte. Aber während sie ihr müdes Gesicht mit duftendem Öl einrieb, das sie in einer kleinen Phiole aufbewahrte, dachte sie weiter nach. Eines mußte sie sich eingestehen: daß sie die Folgen ihrer Tat nicht vorausgesehen hatte, weder Urbaals Geistesverwirrung wegen des Verlusts seiner Göttinnen noch seinen Haß auf Amalek. Sie wußte sich schuldig an seinem Zustand. Voller Kummer vergegenwärtigte sie sich, daß nichts von alledem geschehen wäre, ja daß Urbaal ihr vielleicht verziehen hätte, wenn sie ihre Tat gleich anfänglich gestanden hätte. Doch jetzt
    - und auch das war ihr klar - konnte ein Geständnis nur noch mehr Schaden stiften als Nutzen. Vor dem Einschlafen überlegte sie, was nun zu tun sei. Sie mußte in dieser schweren Zeit über ihren Mann wachen, mußte ihn von steinern Vorsatz, Amalek schaden zu wollen, ablenken, und sie mußte versuchen, wieder Ordnung in seine darniederliegende Landwirtschaft zu bringen. Nach kurzer Ruhe stand sie auf und ging als erstes hinab zum Olivenhain, um zu sehen, was hier an Arbeit nötig war. Aber der Vorarbeiter hatte seine Hütte verlassen, und niemand war zum Bedienen der Presse und zur Pflege der Bäume da. Sie kehrte in die Stadt zurück. Es dauerte einige Zeit, bis sie Urbaals Arbeiter zusammengeholt und ihnen eingeschärft hatte, daß von nun an sie befehle und daß sie die Löhne einbehalten werde, falls man ihren kranken Mann betrüge. Doch kaum hatte sie mit dem letzten Arbeiter gesprochen, hörte sie Tumult auf der Straße. Voll schlimmer Ahnung rannte sie zu Amaleks Haus. Ihr Verdacht bestätigte sich: Urbaal hatte sich mit Gewalt Zutritt zum Haus des Viehzüchters verschafft und die Rückgabe der Göttinnen gefordert. Krieger der Wache hatte man rufen müssen, den rasenden Urbaal zu bändigen. Es wäre ihm übel ergangen, hätte nicht der durch diesen Angriff völlig überraschte Amalek den Nachbarn geschützt, indem er sagte: »Er hat keinerlei Schaden angerichtet.« Die Krieger zauderten. Da erklärte Timna entschlossen: »Ich bringe ihn heim.« Als die Wachen gegangen waren, packte Amalek den Bauern bei den Schultern, schüttelte ihn und sagte: »Urbaal, alter Freund, komm zur Besinnung!« Unter dem geduldigen Zuspruch der Menschen, die ihn liebten, fand Urbaal endlich

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