Die Quelle
gleichen Farben auf der Außenseite. Alle Farben nachgedunkelt durch Asche, die sich während einer Feuersbrunst im Hochsommer 1419 v. Chr. ablagerte.
Uriels Schemel Haupttor
Die sonnenüberflutete Wüste war still wie der Himmel in einer Nacht ohne Sterne. Ein leises Rascheln im Sand war das einzige Geräusch; in unbestimmter Angst wand sich eine Schlange aus der Sonne und suchte Schutz unter einem großen Stein. Zwischen den zerklüfteten Geröllblöcken graste eine Herde Ziegen und fand Grashälmchen selbst dort, wo es keine zu geben schien. Zwei graue Hütehunde liefen stumm hin und her; sie hatten darauf zu achten, daß sich die Ziegen nicht allzuweit entfernten. Aber wie die Schlange waren auch sie von unbestimmter Furcht ergriffen; sie blickten kaum nach den Ziegen, sondern nach einem geheimnisvollen Etwas, das sich bewegte - aber wo, das wußten sie nicht.
Jetzt raschelte es in einem Busch, einem jener halb mannshohen Sträucher, die, wenn sie ausgedörrt waren, abbrachen und vom Wind über die Wüste dahingetrieben wurden. Die beiden Hunde starrten starr und witterten, als schleiche eine Hyäne heran, um eine Ziege zu packen. Aber sie bellten nicht - denn sie wußten, das Wehen im Busch kam nicht von einem Tier.
Auf den Zweigen begann ein Licht zu glühen wie ein Feuer, doch war weder Rauch noch Flamme zu sehen. Und obgleich kein Wind ging, schüttelte sich der Busch, als wolle er sich noch an diesem heißen Nachmittag losreißen und durch die Wüste wirbeln. Als das Licht und das Wehen stärker wurden, erhob sich eine Stimme, sanft und eindringlich zugleich.
»Zadok?« Alles blieb still. »Zadok?« Die Hunde streckten die Köpfe vor. »Zadok?«
Hinter dem Stein, zu dem die Schlange geflüchtet war, erschien in der grellen Sonne ein alter Mann von mehr als sechzig Jahren, barhäuptig, mager und lederhäutig. Der Alte, dessen strähniger Bart bis zur Brust reichte, trug ein derbes Gewand aus geknüpfter Wolle und klobige Sandalen. In der Rechten hielt er einen Hirtenstab. Vorsichtig verließ er den
Felsblock und nahm gleich einem trotzigen Kind seinen Platz vor dem brennenden Busch ein. »El-Schaddai, hier bin ich.«
»Dreimal habe Ich dich gerufen, Zadok«, redete die Stimme. »Ich fürchte mich. Kommst Du, mich zu strafen?«
»Ich sollte es«, sprach die Stimme sanft. »Denn du warst Mir ungehorsam.«
»Ich fürchte mich davor, die Wüste zu verlassen.«
»Diesmal mußt du gehen.«
»Nach Westen?«
»Ja. Die Äcker warten.«
»Wie soll ich wissen, wohin?«
»Morgen, wenn die Dämmerung kommt, weiden dein Sohn Epher und sein Bruder Ibscha von ihrer Erkundung zurückkehren. Sie werden dir Bescheid geben.«
»Sollen wir das Land besetzen?«
»Äcker, die ihr nicht bebaut habt, sollen euer sein und Ölpressen, die nicht euer Werk sind. Die Mauern der Stadt werden sich auftun, euch zu empfangen, und ihr sollt die Götter des Ortes achten.«
»Ich werde tun, wie Du willst.«
»Doch gedenke des Fluchs, der dich trifft, wenn du die anderen Götter anbetest. Oder wenn du Meine Befehle nicht befolgst. Ich bin El-Schaddai.«
»Ich werde dessen eingedenk sein, ich, meine Söhne und die Söhne meiner Söhne.«
Das Wehen im Busch hörte auf, das Licht verblaßte. Zadok warf sich zu Boden und rief: »El-Schaddai, El-Schaddai! Vergib mir, daß ich ungehorsam war.« Und während das Licht verlöschte, sagte die Stimme: »Schlafe im Schatten, Zadok. Du bist ein müder alter Mann.«
»Werde ich lange genug leben, die verheißenen Äcker zu sehen?«
»Du wirst sie sehen, und du wirst sie erobern, und am Vorabend des Sieges werde Ich zum letztenmal mit dir sprechen.«
Die Stimme schwieg. Und an diesem Tag kam die Hyäne nicht. Wie zu allen Zeiten, besaß El-Schaddai auch damals Gewalt zu befehlen. Aber die Menschen waren frei, nach ihrem Gewissen seine Befehle anzunehmen oder zu verwerfen. Deshalb erwog Zadok sorgsam die Tatsache, daß sein Gott ihm aufgetragen hatte, er solle schlafen, fand dann aber, daß er seine Zeit besser an Arbeiten wende, die abgeschlossen sein mußten, wenn die Seinen feindliches Gebiet betraten. Er suchte sich einen Platz im Schatten des großen Steins und begann das breite Ende eines Feuersteins zu beklopfen, damit sich dort eine glatte Fläche bilde. Aus dem glatten Feuerstein konnte er sodann eine ganze Anzahl scharfer Klingen abschlagen und sie in die Holzhefte einpassen, die seine Söhne schnitzten. Während er über seinen Feuerstein gebeugt saß, sorgsam wie ein
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